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Gefammelte Werke

8 m; ; a . —* 9

des Grafen

Auguſt von platen.

In fünf Bänden.

Erſter Band,

Stuttgart und Cübingen. 3. G. Cotta'ſcher Berlag. | 1853,

Buchdruckerei ver 3. &, Gotta'ſchen Buchhandlung in Stuttgart.

Inhalt.

*

Slaten’s Biograpbie ... . - Lieder und Nomangen .. . Balladen... . Solombo’'s Selft . . . ; XDer Bilgrim vor St. Zuft ; x Das Grab in Bufente Witte kind

Der Top des Carus . . 2. 2.2... Harmofan - . - 2 2 2 2 2 2 ne Luca Signoreli . . . 2 2.2.0: Sohir . . . ee ee Gambacorri und Gualandi a a ee Nlerius

Die Sründung Kartbage' 2 Der alte Gondolier . . ; Klaglied Kaifer Otto des Dritten“

Bermifchte unb Gelegenheitsgebichte

&@pifteln.

An Nathan EShhlichtegroll ,

An Sofeph von Zylander .

An G. J.

An Max von Gruber —V SEhoröbus der Kaſſandra.... Klofter Königefelden..

Seite V\N--LXXU

. 1—12%6

IV

Rouſſeau's Stube auf ver Fetzane

An einen Freund..... Zueignung Fragmente

+

Gedichte im Geiſte der Unthofogte

Brutus und Cat . . . Hero und Sappho

Der Lorbeer . . . Aleranvders Grab.

Cäfar am Rubikon

An die Mufe rn a Nachleſe ver Lite . . Difihen . . . »

Der Dichter und die Leſer |

Fragment « . .. Daß Kraul.» 2. Chrifnaht - .... Oſterlied . »

Auf Solgatba . .».:. i ;

Die Antiten . ee A Faufts Gebet . - . 2. 2... Abſchied von der Sit .. . &lofe - . oo...

‚An Boetbe. . » .

Nicht zu viel und zu viel Sprüche und Bilder .

An Svetbe . ;

An Sean Paul . . ; An Diverlin © . . 2. -&pudh. 2. 2. 2.2200. An Engelfarr . .... An die Staatsrecdhtler . . . Polizeimiffenihaft . .

An die Baterlandseifererr . .

Promemoria . . ——— Falſche Wonderſahre a Prolog zu ven Iyrifchen Blättern. Epilog zu den Iyrifchen Blättern

+

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SSSSRBRS

38 “= *

Seite An die Freunde . . 2 ee 288 Nach dem ves Saadi et, er ER Bormurf . . a Be. Bee ee Antwort . . . EN Bra ee ed a ee > Zum Spiegel des bafi⸗ ee 0. 386 Juelgnung des Spiegels des Safe I A 2 ' Brolog an Goethe . . . . se A ee RT Legende ... ee ee er Be 3u einer Anthologie Be er a er sr et ac Na ae MS Zum Sehurtötage - > >: one UM Antennen. MD An Schelling . . . BE ET ee A Klagen eines Ramlerlaners un RE ee A Antwort an ven Ramlerianer . 2: m 2 2 281 Abfchienslin . . . ren. a Ueberſchriften einer Reihe Calderon'ſcher Sganfsete ee DM Am Grabe Peter Ulrich Kernel’ . . . 287 An vie Diana des Nieſeennnn. 289 (Zu ven Sonetten aus Venedig 261

Ihren bochverehrteften Sönnern am Neujahrstage 1826 in tiefer Ehrfurcht vargebracht von der dekretirten in

Erlangen . . i 262 Antwort an einen Ungenannten im Morgenblatt an er DOM Stuht nach Tosßeanaaa. 266 An einen Ultra . . De A a ae 887 Das Reiy ver Geiſter er ar En er Re, Tre ARD An einen deutfhen Stat . 2 on nn. 272 Der Rubel auf Reifen . . . . ET. ee Ir ee RD: Chor zu einem Drama „Deleager“ Be En Te ee N Te or Barzenchor zu vemfelben Drama - - 2 2 2 2 nn ne a 97

In Palermeeeennnn218

Auguft Graf von Platen- Hallermünde.

| j Biographie

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4 Die Aufgabe biefer geilen, bei deren Abfaffung bie Schriften | Blaten’s, einige feiner im Originale eingefehenen Briefe, ein Rekrolog in der Allgemeinen Zeitung, das bekannte Buch von Johannes Mindwig, ſchriftliche Mittheilungen, fo wie einige Journalartifel und Parteifchriften als Quelle dienten, befteht in einer Bermittlung des Dichters mit feinen Werken und biefer mit der Seit ihrer Entſtehung. Zu der Entwerfung eines Iterarifchen Bildes des DBerftorbenen ſchien es vorläufig ge- nügend, die von Ihm und Andern zerftrent gebotenen Züge aus feinem äußern und innern Leben zu ordnen. Es findet fich jpäter ohne Zweifel Gelegenheit, die Lüden und Sprünge diefer Arbeit aus reichhaltigerem Materiale zu ergänzen, wenn dem Willen des Dichters gemäß die Tagebücher, die er mit Gewiſſenhaftig⸗ feit führte, die Correſpondenz, bie er mit den Seinen und mit den ausgezeichnetſten Männern feiner Zeit unterhielt, und bie Sruchſtücke jener Dichtungen, deren Vollendung ihm nicht ver: gönnt war, der Deffentlichkeit überliefert werden bürfen. Auguft Graf von Platen-Hallermünde, Sohn des preußifchen Oberforftmeifters Philipp Grafen von Platen zu Ansbach und einer Freiin Eichler von Aurib, wurde am 24. Dftober 1796 zu

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Ansbach geboren. Das Geſchlecht ſtammte aus Rügen, wanderte nah Braunfchweig-Lüneburg ein und flieg am Hofe des Kur: fürften Ernſt Auguſt von Hannover, zu deflen Glanz und Madi ein Borfahr unfers Dichters wirkſam beitrug, an Bedeutung und Einfluß, der, in direkter Linie wenigftens, bis auf die Gegenwart behauptet if. Auf den Glanz feiner Ahnen legte der Dichter fein großes. Gewicht, und es ſchien für feine Bahn beveutfamer, daß er fie zu Ansbach, wo einft Cronegk furze Zeit, doch nicht ohne Ruhm gedichtet Katie, und im Todesjahre jeines Landsmannes, des einft vielgefeierten Dichters Uz begann, als daß er der Sproß einer Seitenlinie eines angefehenen Geſchlech⸗ tes war. Seine „hoͤchſt würdigen Eltern,“ wie er fie in der verhäng> nißvollen Gabel (Bd. IV. ©. 88) bezeichnet, gaben ihm von feiner feüheften Jugend an eine trefflihe Erziehung. Die Mutter vors züglich übte die wohlthätigften und nachhaltigſten Einflüſſe auf das leichtbewegliche weiche Gemüth des Knaben und durch ihre Be⸗ mühungen waren, als er, zum Militärdienfte beftimmt, im Jahre 1806 der föniglichen Cadettenichule zu München übergeben wurde, die Grundzüge feines Wefens bereits zum Charakter firirt. Nicht allein die offne Empfänglichfeit für das Ernſte und Erhabene, die ihn in fpätern Jahren fo fehr auszeichnete, trat ſchon das mals fihtli hervor, e8 war mehr als dieß; mit feſtem Willen ſuchte fih der Knabe in dem Kreife, dem er fih nicht ganz duch eigne Kraft entziehen fonnte, eine felbfiftändige Bahn zu fihern. Dem Willen feiner Eltern gehorfam wurde er Militär; aber der Soldatenftand genügte ihm nicht. Er befchloß, mit dem aufgedrungenen Berufe gelehrte Studien, und mehr als dilettan⸗ tifche, zu vereinigen, um fo ven Forderungen genug zu thun, bie

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er felhft am fich machte. Den Exrheiterungen feiner Genoſſen nit gerade abgeneigt, zwang er fh doch, wenn jene den Bergnüs gungen ſich hingaben, den ſtarken Trieb anhaltender eifriger Lernbegierde zu befriedigen; er zog Zimmer und Bücher ben Knabenfpielen vor. Sein poetifches Talent Hatte ſich fofort bei der erften Entfaltung mwürdige Stoffe, 3. B. Chriftina von Schweden erlefen. Uebrigens erregte er damals noch nicht im Geringiten eine Aufmerffamfeit, die mit feiner fpätern Beſtim⸗ mung im Sufammenhange fland. Im Jahre 1810 trat er aus der Cadettenſchule, die, fo trefflih fle für ihren med fein modhte, den Strebungen des jungen Poeten zu wenig Raum gönnte, in das königliche Pageninftitut hinüber, wo er, während der Krieg ven Belttheil erfchütterte, in freierer Muße und frieb- fiherer Stille die Grundlagen zu einer tiefgreifenden und um⸗ faffenden Bildung legen fonnte, einer Bildung, deren Fortgang durch die im Jahre 1814 erfolgte Ernennung des Sünglings zum Lieutenant im Leibregimente des Königs Marimilian wenig angefochten wurde. Es iſt begreiflih, daß der militäriiche Dienft ihm wenig zujagte, allein es blieb ihm neben dem Aufwache⸗ ziehen und Parademachen viel gut angewandte Muße zu Studien übrig. ine mehr poetifhe, aber and) den Bildungsgang gefähr- dende Wendung ſchien fein Geſchick beim Wiederausbruche des Krieges im Jahre 1815 zu nehmen; der Befehl am legten Feld⸗ zuge gegen Napoleon Theil zu nehmen, droßte ihn vielleicht für immer aus. der gewählten Bahn frieblicher Studien zu ſchleudern. „Der Trommel folgt! er manchen Tag;“ glüdlicherweife wurde es bald möglih, das unterbrohene Werk der Bildung fortzu- führen. Selb unter dem Waffenlärm auf feindlihem Boden

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waren bie Geſchenke der Mufen nicht ausgeblieben. Wenige Meber aus diefer Zeit find befannt geworben, die unkünfllerifhe Form berfelben veranlaßte den Dichter in der Folge, fle zu unterbrüden. Ein „Lied aus Frankreich,“ das im October 1815 gedichtet, in der Sammlung feiner Werke feine Stelle gefunden hat, möge als erſte Spende feines Genius hier eingerückt fein:

Milde Fluren, milde Fluren Seh’ ich dort und hier; i Aber ach bei niemand Spuren Eines Sinns dafür. ;

Trante Hütten, trante Hütten Sind’ ich hier und dort, Doch die Unfchuld alter Sitten Floh fett langem fort.

Gotteshäuſer, Gotteshäuſer Treff' ich, goth'ſcher Pracht: Doch kein Frommer und kein Weiſer Preist drin Gottes Macht.

Städt’ and Fleden, Städt' und Bleden Find' ich Hier geung: - Über feine Mauern deden Bor Berrat und Trug.

Schöne Worte, jchöne Worte Hör ih um mich ber; Doch die Kippe fpricht die Worte Und das Herz iſt leer.

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Suͤße Weine, füße Weine Beut mir manches Haus; Aber ach der Slafchen Feine Trinkſt du mit mir ans!

Bezeichnender als dieſes trog ſcheinbarer Specialifirung ziemlich allgemein gehaltene Lied find die beiden Epifteln an feine Freunde Rattan Shlihtegroll und Joſeph von Zylander; bie erfte derfelben fpricht überwiegend bie Schnfuht nad Wieder aufnahme der Studien, die zweite ungebämpften Haß gegen Na⸗ poleon und vertrauensvolle Hoffnungen für die Zukunft Deutſch⸗ lands aus. Im Epätjahr 1815 kehrte Platen in bie Heinath zurüd; durch den Feldzug und den bamit verknüpften häufigen Wechſel des Aufenthalts fheint bei ihm jene Reiſeluſt, die ihn nie mehr verließ, erwacht zu fein. Namentlich von ihm bewährt ſich Byrons Wort, daß ber Trieb zum Reifen außer dem Ehrgeize vieleicht die mädhtigfte aller Anregungen fei. Zu Fuß wanderte er 1816 in die Schweiz; neben Heinern hat ſich das hernach bebeutfam veränderte! Gedicht „Kloſter Königsfelden“ ‚von diefer Reife erhalten. Solde Touren genügten inbeß dem WMWanderfinne des Dichters nicht: er fhwärmte in Liedern, bie er damals fchrieb, von einer Reife dur Curopa zu Land und See; allein er mußte fi beſchraͤnkenden Berhältniffen fügen; zu jenen Heinern Wanderungen beburfte er ja fogar des Ur: laubs; war er doch immer noch Lieutenant. Heimgefehrt fchritt

ı Der Schluß des Liedes bezeichnete die Franzoſen als „ein Volk, das jedem Volk verhaßt“ ſei, mas bei ver Redaktion feiner Gedichte im J. 1834 wiot mehr au feinen Auſichten filmmte.

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er wieder frifb an bie Arbeit, „auf den Wink der Gunft verzichtend, Bücher wor ſich aufſchichtend, über denfelben beim Rauch der Lampe brütend.” Er hatte noch feine Uiniverfität beſucht. Nach kurzer Meberlegung ging er im April 1818 nah Würzburg, um fih philoſophiſchen und philologifhen Studien zu widmen. Ueber feinen damaligen kirchlichen Standpunft Blaten war Proteftant giebt ein 1817 gefhriebener Schwanf: „Die neuen Bropheten” Auffchluß.

Platens Fleiß war angefirengt und ausbauernd. Er erlernte nad und nah Lateinifch, Griechiſch, Perfifh, Arabifh, Ita⸗ lieniſch, Sranzöfih, Spanifh, Portugieſiſch, Engliſch, Hollaͤn⸗ diſch und Schwediſch; er las die vorzüglichſten Dichter der Na⸗ ‘tionen in den Urfpraden, und welchen Gewinn er aus dieſer Lectüre gezogen, beweifen feine Werfe. In Würzburg eröff- neten ihm die Borlefungen 3. I. Wagners eine neue Welt des Wiſſens und Forſchens; er liebte den Lehrer, aber den Ausſpruch beffelben: „Die Kunft ift todt,* bat er ihm niemals verzeihen koͤnnen.

Im September 1819 verließ Platen Würzburg und bezog im Oftober bie Univerfität Erlangen, nachdem er zuvor einen ländlichen, für feine Mufe fruchtbaren Aufenthalt gemacht und einige Zeit in Ansbad mit den Seinigen verlebt hatte. Anfangs December 1820 kam Scelling, welcher fih für den Knaben fhon interefirt Hatte, in Erlangen an; ber Dichter wurde von nun an einer feiner begeifterungsvollften Zuhörer. Gin Ders hältniß zutraulicher Anhänglichfeit fnüpfte ben Schüler an den Lehrer, welcher feines Theile dem jungen Dichter Antrieb und Zügel zugleih war. Ueber Platens Erlanger Aufenthalt theilte

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einer feiner damaligen Freunde im Morgenblatt einen ſehr bantenswerthen Auffag mit, zu dem wir hier nur wenige Eupples mente liefern Fönnen. Die Tage zu Grlangen gehören zu Platens

glücklichſten. Schellings Lehre regte feinen ſchoͤpferiſchen Trieb

fruchtbar an; die ihm gewidmeten Sonette (Nr. 9. 24. 25.) bes zeichnen die fich felbft klar yeworbene Verehrung, welche Blaten ihm zollte; zu Feiner andern Zeit feines Lebens hat der Dichter eine größere Thätigfeit entwidelt, als in den fleben Sahren, bie er zu Erlangen verbradite. Als Student genügte er fi im Um: gange mit dem überaus gefhägten Lehrer, einigen befreundeten Geiftern und poetifchen Hervorbringungen. Die Berhältniffe und Berbindungen der afabemifchen Jugend berührten ihn niemals tief.” Da es Sitte war, daß ſich jeder Stubent, wofern er nicht eine gar zu Eäglidhe Eriftenz führen wollte, einer oder der an⸗ dern von ben beftehenden Berbindungen zugefellen mußte, fo ſchloß fi Platen an die deutfche Burſchenſchaft, jedoch nur loſe und äußerlih an. Der auf Urlaub geftellte Lieutenant, fo er: zahlt uns ein Freund, der Platen in jenen Tagen fannte, wohnte den täglihen Zufammenfünften jener Verbindung wöchentlich nur zweimal und auch dann nur auf furze Beit bei. Sein ganzes Weſen mußte ihn, wie e8 der Fall war, ben gewaltfamen Ent: mwürfen jener jungen Männer abhold machen, und doch fehienen fo viele patriotifche Elemente in diefer über Deutfchland verzweig- ten, auf große Sittenreinheit forgfam wachenden Gefellfchaft

1 1836 Tr. 21015, vom Kirchenrath Engelhardt. Auch die „Schatten and Lichter aus dem Leben Platens“ von Dr. Fr. Meyer im „Athenaum für Wiſſenſchaft, Kunft und Leben,” Nürnb. 1839. Sanuarbeft, enthalten, wenn aud in herabwürdigender ————— beachtenswerthe thatſach⸗ Uche Mittheilungen.

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zu liegen, daß fie ber Dichter über alle Hubentifchen Verbindun⸗ gen ftellen mußte.

Bon Erlangen aus machte Blaten jährlich kleine Ferien⸗ reiſen duch die deutſche Heimath. In Wien hielt er ſich am längften und liebften auf; in Jena machte er die Bekanntſchaft Goethe's beim Major von Kuebel; über Baireuth gehend bes ſuchte er Jean Paul, der. ihn mehrere Wochen gaftfreundlich anfnahm. Am Rheine fah er Need von Eſenbeck, Umbreit und Andere. In Stuttgart fand er die herzlichſte Aufnahme, er lernte Schwab und Uhland kennen.““ Uhlands furze perfönliche Bekanntſchaft gehöre zu feinen beflen Erinnerungen, ſchrieb er in der Folge an Schwab, mit dem er mehrere Jahre einen vers traulichen Briefwechfel unterhielt. Dem bald darauf verftorbenen Sean Paul fang er „für feine feelenvolle Lieb’ und Milde” ein ſchoͤnes Sonett nad. Mit Herrn von Knebel gerieth er in der Folge, als diefer ihn von ber erwählten Bahn des Romantifchen abziehen wollte, in einen heitern Streit, wovon ber ©. 249 diefes Bandes abgebrudte „Schwanf“ den Nachhall giebt. Zu den früheften von Erlangen aus unternommenen Wanderungen des Dichters gehört eine 1820 zu Friedrih Nüdert, der ſich damals zu Nürnberg auf der Burg aufhielt, vorzüglid wiſſen⸗ z ihaftlicher Belehrungen wegen angetreten. Das Studium orientalifcher Poeſie, zuerſt wieder durch Fr. v. Schlegels Buch über die Weisheit der Inder (1808) angefrifcht, war in jenen Jahren durch I. v. Hammer und feine unabläfiigen Bemühun> gen, vorzüglich aber durch Goethe's weſtoͤſtlichen Divan (1819) zur erfreulichiten Lebendigkeit angeregt, zog aud Blaten, den

ı Mindwig, Briefwechfel S. XVII. f.

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empfänglichen Boeten, mit ſtarker Gewalt an ih. Gr hat ih zwar, fo viel uns Bekannt, niemals mit der Literatur Hinter: aftens gründlich befaßt, deſto größeren Eifer verwandte er auf das Studium bes vorberaflatifchen Kunftlebens. Goethe's Divan führte thatſächlich in den Geiſt diefer Dichtungen, die kunſtreiche Form war indeß wie von Goethe, ſo in Hammers hexameiriſchen Nachbildungen, ſei es als zu ſchwierig, ſei es als unwichtig, ganz außer Augen gelaſſen: Platen, ber jeden Gegenſtand, fo- bald er ihn feiner Aufmerkfamfeit für würdig erfannte, in feiner Ganzheit auffaßte, und überdieß die Kraft in fih fpürte einen Mettftreit der deutſchen Sprache mit der orientalifchen einzu: gehen, firebte vor Allem darnach, das Wefen orientalifcher Poefte- formen zu begreifen. Der Einzige, von dem in jener Zeit Aus: funft über dieſen Gegenftand zu erwarten war, ſchien Friedrich Rüdert, gleich farf und gewandt die Sprache der Heimath zu handhaben, als den Geift des Oftens zu erkennen. Die bei Rückert gefundenen Belehrungen trugen gute Früchte für Platen; zuerft ein Büchlein unter dem Namen „Safelen“ (Erlangen 1821). Diefe Benennung bezeichnet Heine Gedichte von 10 bis 20 Verfen, vol Liebestrauer und Luft, Lob des Weines, des Schenken, des Freundes, überhaupt umfaffen fie die Sphäre des Haufes, des Friedens, der Ruhe. Eine finnige Betrachtung, fo lange fle in den Gränzen der Anmuth bleibt, ift nicht ausgeſchloſſen. Der Charakter diefer Poefte ift, wie es fchon ber Name darthut, das Schmeichleriſche, was Platen mit „ſchelmiſchent Getändel“ bezeichnet. Längere Gedichte, ernften Inhalts, deren Stoffe bas Leben außer dem Zelte und außer der Zeit bes Friedens behan- bein, alfo vorzüglich Kriegsgefänge, Tobtenflagen um gefallene Platen, ſammtl. Werte. J. mM

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Helden u. f. f., lennt des Orient unter dem Namen ber Kaſ— fiden. Beider Gedichtarten unverbrüchliches Geſetz if es, aus Verspaaren zu beftehen, beren erftes und ber zweite Vers jebes folgenden Paares (Diſtichons) denfelben einzigen genau ent- fprechenden Reim hat. Eine Kaſſide Platens fand fih am Ende feiner „Neuen Gafelen,” umgearbeitet und verkürzt befindet fie fi unter den Gafelen diefer Ausgabe Bd. II. ©. 67 Nr. 129.

Der ben „Bafelen“ beigefügte Epilog an Goethe bezeichnet deutlich den Impuls, welcher Platen zum Orient führte, und die Worte

Der Orient ſei neubewegt, Soll nicht nach dir die Welt vernüchtern.

geben zu erkennen, wie ſehr es dem Dichter mit ſeinen Beſtre⸗ bungen Ernſt war. Allein das Büchelchen fand nicht die er- wartete Aufnahme. Platens Worte, er fei viel zu frühe in bie Zeit mit Ton und Klang getreten, mögen ben größten Theil ihrer Anwendung auf die „Safelen” finden. Der Schlußvers: „Berkünde mid indeß, Gafele, dem Baterland!” wurde nicht beachtet; was der Dichter einige Jahre fpäter über diefe Dich- tungen äußerte: „es wehe in ihnen ein eigner Geift, als ob die Liebe ſelbſt, um mit fi felbft zu fpielen, fie gefchaffen, und als ob fie all’ das vielfältige Treiben der Welt auf ſich beziche, gleihfam als wären ber Erbe taufendfache Bildungen nur zur Berherrlihung des Herzens ba.” (Treue um Treue, Alt. IV.), fand zur Zeit des erſten Erſcheinens diefer Gedichte wenig An: Hang. In den Dichtungen herrſchte ein faft gänzliches Verſenken in die Gedanken und Ausdrucksweiſe des Orients; Bilder und

anſchauujgen waren frembarkig, dem deutſchen Gefühl, das damals gerade noch auf feine Weife fizeng national fein wollte, widerſtrebend, dabei flörten wiederum. Einzelnheiten die Illuſton, als feien die Gaſelen wirkliche Kinder des Orients; ber Lefer konnte zu keiner ungetheilten Hingebung weder nad Often noch nach Weften gelangen, er ſchwebte zwiſchen beiden noch nicht in das rechte Berhältniß gefehten Sphären, von beiden angezogen und abgefioßen. Wir machen dem Dichter Hieraus Feinen Vorwurf, müflen vielmehr darauf zurüdweiien, daß Platen der Erſte war, welcher öffentlich eine glüdlicde Erweiterung poetifher Form in Deutfhland einführte. Dieß achten wir nicht gering! Die Entwidelung bentfcher Sprache machte nur jedesmal dann einen gebiegenen Schritt, wenn bie Form der Poeſie ſich erweiterte, Waren fon die Gafelen fremdartig aufgetreten, fo mußte ber gleichzeitig gefchriebene „Spiegel bes Hafis“ (1822 zuerfi ge drudt) noch um Bieles mehr gegen beutfchen Gefhmad ver: flogen, da Hier ein. Gefep zur Anwendung gebracht erſchien, gegen welches die vermeintliche Reimfpielerei noch als gewöhnlich gelten fonnte. Man findet nämlid in jedem lebten Diſtichon der Gafelen des Spiegels den Namen Hafis wiederkehren und fiebt die ganze Welt, fo weit fie ber Dichter vorüberführt, zu Hafis in Verhältnis und Beziehung gefegt. Dieß Heine Werk, sinem Freunde des Dichters, dem jeßigen Nittmeifler DO. von Bülow zu Göttingen‘, gewidmet, bat der Berfafler, nachdem er es in ber erfien Sammlung feiner Gedichte auf die Hälfte der Nummern verkürzt hatte, in bie zweite nicht mehr aufgenonmen; jest ift es den Gafelen eingereiht worden. Im Sahre 1823 lieg Platen wiederum eine Sammlung von Dichtungen im

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Gewande bes Orients erfcheinen, „Neue Bafelen“ (Erlangen), bie von den früher gebotenen durchaus verſchieden find. Ihr Ber: hältniß zu den vorhergehenden bezeichnet kurz und treffend bas Motto:

Der Orient iſt abgethan, Nun feht die Form als unfer an.

Der Dichter, nun weniger um die Nachbildung öſtlicher Formen aͤngſtlich bemüht, vielmehr im völligen Beflg der Meifter- ſchaft über dieſelben, wandte ſich ganz auf deutſche, oder um e8 bezeichnender zu fagen, auf rein menſchliche Grundlagen zurück; feine Trauer und Freude, fein Wünfchen und Fürchten fpiegelt fih in den neuen Gafelen; die Stimme ber Zeit Hallt aus ihnen tiber; eine verfähwenderifche Fülle reinlicher Bilder, in der Tiefe gefchöpfte Betrachtung, ergreifende Gefühlsäußerung und eine große Geſchmeidigkeit der Phantafle, die alle Züge der einzelnen Gedichte nach einem Lichtpumkte zu wenden verfteht, heben dieſe Bafelen aus der Sphäre fehlſchlagender Verſuche zum Klaren, Beflimmten und Bleibenden empor. Sachver⸗ fländige Männer begrüßten das Erfcheinen dieſer Gedichte als eine erquickliche und für die Literatur fördernde Gabe. Wir dürfen Hier nur von denen reden, die ihr Urtheil öffentlich ab- gaben. Diefe erlannten bereitwillig, daß ein dem Orient ge: wachſener Poet den Occident fo erfaßt hatte, wie etwa einer jener öftlihen Dichter, wenn er bei uns lebte, ihn würde auf: gefaßt und beſchaut haben. Goethe fprach fi anerkennend aus (Werke Bo. 45. S. 314.) und fein Urteil fand in einer von Edermann in „Kunft und Alterthum“ (1824. Bd. IV, 3, 159 ff.,

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vergl. Edermanns Geſpraͤche mit Goethe I, 96.), gegebenen An⸗ zeige eine weitere Ausführung. Cine Stimme, die ben fidht- baren Fortſchritt des Dichters nicht beachten wollte ober nicht fonnte dann wäre Schweigen befjer gewefen die Karl Immermanns in Heine’s Reifebildern (II, 74, Ausg. von 1831) verwarf diefe neue Form ber Boefie für Deutfchland in Bauſch und Bogen:

Don den Früchten, die fle aus dem Gartenhain von Schiras ftehlen, Effen fie zuviel, die Armen, und vomiren dann Gafelen.

Auf diefes Zenion werben wir zurückkommen. Platen urtheilt über feine Gafelen in einem Briefe an G. Schwab, ber biefelben in freundſchaftlichem Eifer, den Dichter auf ein vaterländifches Feld des Schaffens zu ziehen, in einem übrigens fehr anerfennen- den Sonette getadelt hatte,! alfo: „Das anatreontifhe Element, wenn es mit Anmuth behandelt ift, hat doch auch einen wirklichen Werth in der Poefle, und macht eine nothwendige Entwicklungs⸗ fiufe in der Iyrifhen Kunft aus; «8 würbe aber bei den Deut⸗ fhen in Unbedeutendheit ausarten, wenn. es nicht unter einer fünfllihen Form gegeben würbe.“ Gine befiere Vertheidigung diefer Dichtungen liefern fie felbft durch ihre bloße Eriftenz.

Früher ald die neuen Gafelen war eine Sammlung’ Pla- tenfher Dichtungen unter dem Titel: „Vermiſchte Schriften“ (Erlangen 1822) und noch früher „Lyriſche Blätter“ (Leipzig 1821) erfhienen. In der Ginleitung zu der letztgenannten : Sammlung legt ex weniger Werth auf die darin enthaltenen

18. eg Berichte. Mue Auswahl. S. 145. Miniaturausgabe 1846. ©. i

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früheren Gebihte, als auf die Sammlung ber Gafelen, vie fidh jenen anfchloß, „weil dieſe vom glühenden formenreichen Oriente die Hülle borgten für die Fülle des Occidents.“ In den meiften jener übrigen Erzeugniffe, meint er, würden ſich eher flufen- weife die Verirrungen nachweiſen laffen, denen das poetiſche Gemüth unterworfen fei. Mit kühner Stirne aber läßt er auch diefe Gedichte vor allen denen auftreten, die in der Poeſte eben nur Poeſie ſuchen und ſich auf diefe reinäfthetifche Anficht, wie fie fie nennen, nicht wenig zu gute thun. „Wir aber,“ fährt er fort, „und alle Iene mit uns, die auch das Kleinſte nur im Bezug mit dem Hoͤchſten ſchauen, wir fühlen, daß die wahre Voefte, im Einzelnen und im Ganzen, erſt dann beginnen Tann, wenn fle Hand in Hand mit dem Glauben luſtwandelt im Even lebendiger Wahrheit, und Hinter fich läßt die Vergoͤtterung ber Natur. Drei ungeheure Prüfungen waren dem Chriftenthume zu feiner Läuterung auf Erden vorbehalten. Die erfte, rein äußerliche, umfaßte die Verfolgung des römifhen Reichs, das mit der höchften irdifhen Gewalt auf dafjelbe einflürmte, und welchem es, wiewohl ohne Gegenwehr trogte. Zur zweiten warb die hierarchiſche Macht auserfehen, welche es mit zeitlichen Sweden zu vermengen firebte, Aber auch aus biefem Tode erhob es ſich jugendlich. Die dritte Prüfung endlich, welde es noch nit völlig befanden Kat, und welche die gefährlichfte und tieffte if von allen, wurde burch den Unglauben und Rationalismus un: ferer Zeit gefebt. In diefem lebten Kampfe mußte es feine

innerften Kräfte zufammenraffen und. die Selbflfenntniß feines- -

ewigen Wefens erringen. Aus ihm fann es nur, durchdrungen von göttliher Klarheit, Hervortreten unb einen Sieg feiern, bem

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fürberhin entgegen zu kämpfen feine hemmende Gewalt mehr im Stande fein wird. Bis dahin werben dieſe Gedichte leben.“

Es ift ſchwer zu fagen, wie biefer Erguß gerade vor bie „kyriſchen Blätter“ -gerathen tft, da ber Inhalt berfelben keine Beranlaffung dazu bot. Platen hatte darin die feit 1813 ge- Iriebenen, zum Theil fon gebrudten Lieder und Romanzen gefammelt, deren größten Theil er bei der letzten Durchſicht feines Gedichtbandes eben fo unbedenklich unterbrüdte, wie bie meiften Beiträge, die er in den naͤchſten Jahren der „Urania,“ dem „Frauentaſchenbuche“ und andern periobifchen Schriften zu⸗ wandte. Bon biefen „in glücklicher Verborgenheit gemalten flaren Bildern feiner Seele” hielt er bei Gelegenheit der zweiten Ausgabe feiner Gedichte nur wenige der Beachtung werth; im die gegenwärtige Sammlung find fie vollländig aufgenommen. Manche find vom Dichter in der Folge durchaug umpearbeitet, vorzüglid „Colombo's Geiſt,“ der in der That einer fpätern Zebensperiode angehört (1816) entworfen,‘ 1831 umgearbeitet). In den vermiſchten Schriften treffen wir auf bie früheften Derfuche Platens in antiter Form, auf Glegien, zugleih auf ein Gebet Fauſts, zu einer Zeit, als die Fauſte ſchon bedeutend in die Mode gekommen. Ginflüfe Goethe's und Schellings find überhaupt in beiden Sammlımgen fenntlih. Der „Abſchied von der Zeit,“ am Ende der vermifchten Schriften, liefert ein poll tiſches Seitenftül zu den „Neuen Propheten,“ deren wir Er⸗ wähnung thaten.

Bedeutſamer für den Bildungsgang des Dichters, als die erwähnten Stüde, iR fein in den vermifchten Schriften ent haltener erſter dramatiſcher Verſuch, „Marats Tod.” Diele in

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Profa gefchriehene. Skizze fol einen „herausgerifienen gräßlichen Moment aus den finftern Tagen“ der Revolution darftellen; die Sprache ift einfach, die Charakteriſtik Hiflorifch treu, die Motive klar und rein ausgeführt; das Ganze zeugt von Leichtigkeit und Präcifion; dennod muß der Dichter, nah den Anfihten, bie er bald darauf in Betreff der Bühne gewann, biefes fpäter von

‚ism nie wieder erwähnte Stüd verworfen haben. Das Graͤß⸗ ‚liche hielt er der Bühne für unangemeffen. Marats Tod hatte - dem Dichter die Bahn zum Drama angewwiefen; er ſchritt rüftig

darauf fort. Das Studium fpanifcher Dichter zeigte fih in dem 1823 im Oftober gefhriebenen Zuftfpiel, „der gläferne Pantoffel,” einem Stüd, in weldem zwei launig in eins gefihlungene deutſche Kindermächen, Aſchenbroͤdel und Dornröschen, den Stoff geliefert. Das Studium der Volkspoeſte, das Platen Hier beurfundet, werben wir noch einigemal gewahren. Dieb Mähr- henfpiel von Afchenbröbel, zu dem 1820 in Paris eine ‚analoge Geſchichte vorgefallen, wodurch der Dichter vielleicht zur Wahl des Stoffes beflimmt wurde, zeugt in einzelnen Stellen vom Gin- fluſſe Schelling’foher Philoſophie, welche Hier in das leichte durch⸗

ſichtige Gewand des Scherzes und leifer Ironie gehüllt erfcheint.

Schelling ließ vom Dichter das Stüd vor einem gewählten Publikum vortragen; Platen, fo verfihert Hr. Engelhardt, fang feine glatten Berfe mehr als er fie las. Das Lufifpiel if Schelling zugeeignet..

Sm Jahre 1824 ſchrieb Blaten fein zioeites Luſtſpiel: „Der Schatz des Rhampfinit.” Der Stoff ift dem Berichte Herodots (IL, 124) entlehnt, aber die. Verwandlung der epifhen Motive in dramatiſche, wie. dieſe denn auch ausgefallen fein. mag,

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gehört allein dem Poeten. „Es ericheint in dem Luſtſpiel viel, wovon der alte Herodot nichts weiß; denn wenn auch Gebraud

md Sitte feit der Zeit jenes Märchens wechſelten, fie barzu-

kellen iſt kein Problem, weil der Menfh, was er damals war, geblieben ift, ein Werk von fremdem Zwang und eigner Kraft, ein Spiel des Glücks, ein Ball der Leidenfhaft.” Die Komödie bietet einige nicht fehr verſteckte Seitenhiebe gegen die Hegel’fche Bhilofophie, was nicht befremden fann, dba die Fabel ganz in die neue Zeit gerüdt wurde. Hiedurch entfland ein Gemiſch alter unverlöflicher Züge, welde Herodots Erzählung bot, und neuer Zuthaten, „ber Wiß von geftern und der Scherz von heut,” was den Dichter in der Folge mit der Beforgniß erfüllte, es möge manches gar zu barbariſch fein, und ihn auf den Gedanken brachte das Lufifpiel umzuarbeiten. Dieß unterblieb. Wir

ſehen darin den Uebergang zur arifiophanifchen Komödie. In

demſelben Jahre wurde dem Poeten ein fchwedifcher Freund, Beter Ulrich Kernell, der auf der Heimreife aus Stalien in Er- langen erkrankte, durch den Ton entriffen; eine rührende Tobten- flage Platens ‚findet fih unter feinen Gelegenheitsgedichten.

Sn demfelben Jahre ſchrieb unfer Dichter, der einmal in dramatifchen Probuktionseifer gefommen war, auch ein Heines ſcherzhaftes Lufifpiel, „Berengar.“ Der flare, wohlgerundete Dialog erinnert an denjenigen in Goethes Tafio. Es zeigt fid überdieß in diefem Stüde ein anderer formeller Fortſchritt, in- dem hier, was in ben früheren Dramen verabfäumt war, eine grundfägliche Scheidung zwiſchen Profa und Bers eingeführt wurbe; bie poetiſch Höher geftellten Figuren reden in Berfen, den gewöhnlichern Individuen iſt die Proſa zugetheilt. Im

E.

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Sommer des Jahres 1825 gieng Platen no einen Schritt vor wärts; er wandte ſich vom Luflfpiele zu einer Mittelgattung bes Drama’s, zum Schaufpiele, deſſen Charakter weder bie forglofe Luft und Heiterkeit, noch das rein Erhabene if. Es Lohnt wohl der Mühe, das Schaufpiel „Treue um Treue,“ zu welchen ber Poet den Stoff einem franzöflfhen Fabliau ! entnommen, in feinen Perfonen etwas genauer zu betrachten; der Dichter ſchil⸗ dert fie durch den Mund der übrigen alfo: Garin if durch Gicht, Hohes Alter und den Schmerz verjährter Wunden zum Kriegsleben untüchtig geworden. Eine Fehde, die zwifchen ihm und Theodo von Valence beftehen, foll fein Sohn ausfechten; gegen dieſen ift er hart, kann fogar gegen ihn in Wuth gerathen; ſtolz gegen Alle übt er doch von Zeit zu Seit Güte gegen Ein- zelne. Aucaffin, im blühenden Beſitz der Kraft und Jugend, ſchoͤn, erfäheint feinem Bater als Weichling und Weiberknecht, der im Ball» und Würfelfpiel vieleicht ein Held fein könne, aber feine Luft an den Waffen Habe. Er hat angeerbten Eigen- finn, laßt ihn hervortreten, wo Andre ihm entgegenftehen, fein ganzes Weſen ift fchroff und Heftig, die Aeußerungen biefer Eigenfchaften reißen ihn nie zu unwürbigem Beginnen Hin. Don feiner Geliebten getrennt ift er in ſich gefehrt und nur für das Wohl Anderer thätig. Floreſtan, ber Sohn Theodo's, erſcheint als wilder Knabe, trotzig, kuͤhn, treu in Erinnerung an ben Edelmuth feines Feindes. Nureddin, der Garthager- fürft, jung, fhön, freigebig, von feinem Volke angebetet, ale

i Aucassin et Nicolette in den Fabliaux et contes de po&tes francais

de XI—XV siecles par Barbazon et M6on. Paris. 1808. Tom. I. p. 380 ff., auch von D. 8, B. Wolff im Taſchenbuch Minerva für 1833 überfegt.

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edler Fürſt gepriefen; fein ſtolzer Wuchs, bie dunkeln Augen, milden Blide und Edelmuth ſpiegelnden Mienen erwarben ihm bie Liebe der Karthagerinnen; fein ganzes Wefen ift groß und ebel, er felbft würde ſich für niebrig halten, wenn er nicht Alles zu verzeihen bereit wäre. Philibert, Nicolettes Pflegevater, ift der zärtlichfte, der beſte Vater gegen feinen Schützling, aber unvermögend dem Willen Garins zu wiberfichen. Robert, zwar tapfer, aber übrigens ein pebantifcher gewöhnlicher Geſell. Idwin, der Troubabour, ein Meifter in feiner Kunft, forglos heiter. Nicolette wird als fhön, gutmüthig, treu geſchildert. Die übrigen Perfonen greifen nicht tiefer in die Gliederung des Stüdes ein. Mit diefen Perfonen, von fireng gefonderten In⸗ dividualitaͤten, ohne große Leidenſchaften, von ächt menfchlichem Gepräge, hat der Dichter ein Lieb gefchaffen,

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Ein Lied von Treue, die Gefahr und Macht Und felbft Entfernung als gering verachtet, Und über Land und Ocean hinweg

Den ſchönen Einklang enler Liebe lehrt.

Das Stud if dreimal aufgeführt worden, zuerft am 18. Juni 1825 zu Erlangen, wo ber hervorgerufene Dichter dem Publi- kum feinen Dank in improviſtrten Verſen abflattete, fobann am 15. Sanuar 1826 zu Nürnberg und fpäter in Regensburg, wo es nicht geflel.

Es war im Herbfle 1824, als er eine Reife durch bie Schweiz und nad Venedig machte. Die Einbrüde, welche dieſe Stadt dem Dieter zurüdließ, waren überans ſtark und erregten das heiße Berlangen, auch das übrige Italien zu fehen. Er hielt

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ſich mehrere Wochen in Venedig auf, ja länger als fein Urlaub währte, ein Verſehen, das er bei feiner Heimkehr mit einem mehrwoͤchigen firengen Nrreft in Nürnberg büßen mußte. Die Frucht jener Reife nach Oberitalien waren die herrlichen „Sonette aus Benedig“ (Erlangen 1825); die Frucht bes Arreſts die Ab- handlung: „Das Theater ein Nationalinftitut.” Nah dem Schaufpiele fchrieb Platen 1825 noch ein Kleines

Luftfpiel „der Thurm mit fieben Pforten.“ Die Novelle, ang weldher der Stoff entlehnt ift, findet fih in bem Volksbuche von den fleben weifen Meiſtern. Das uralte Märchen Hat in der dramatifchen Bearbeitung eine überaus reizende Geftalt angenommen. Der tyrannifche, leidenſchaftliche, eiferfüchtige, aufbraufende Dei, von einem neapolitanifchen Edelmann liftig beherrſcht, führt feine Rofalba, die er aus Eiferfucht Hinter fteben Pforten verfperrt hielt, ohne es zu wiſſen felbft an’s Schiff. ° Das kleine Stüd ift vollig bühnengereht, und webt, um auf- führbar zu fein, einen an ſich fehr gefälligen aber nicht drama⸗ tifhen Monolog ein. Es iſt ganz in Berfen gefchrieben und wurde zuerft im Tafchenbuche für Damen auf das Jahr 1828 gedrudt.

Im Herbfle 1825 beſtieg König Ludwig I. den bayrifchen Thron. Platen begrüßte dieß Ereigniß mit einer fowohl in der Gompofition als in der Sprache buschiveg gebiegenen Ode, in welcher er die Hoffnungen, die er von Ludwigs Regierung hegte, in ber Form des Lobes ausſprach. Seine Begeifterung fah das, was Deutihland zum Theil noch von dem edlen Könige erwar- tete, als bereits gefchehen an, wodurch er zugleih für einen bayrischen Lieutenant mag es lächerlich erſcheinen, des Dichters

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war es durchaus würdig ben befcheidenften Math auf die anfpruschlofefte Weife vor den Stufen des Thrones nieberlegte. Diefe Erklärung der auch einzeln gebrudten Ode, welche wir für die allein richtige Halten können, bewahrt den Dichter vor dem aus Mißverſtaͤndniß gemachten Vorwurfe der Schmeichelei.

Zu jener Seit, als der Boet bereits für die Bühne ſchaffend aufgetreten war, wandte er feine ganze Aufmerffamfeit auf den Zuftand des deutfhen Schaugerüfles. Die Refultate feiner Be⸗ obachtungen waren für ihn durchaus nicht erfreulich. Wo man are Geſtalten zu fihauen hoffte, fah man leere und Kohle Schat: ten; das Ungeheuerliche und Scheußliche, das der Vergeſſenheit gehören follte, felbft wenn es ſich zugetragen, breite, umſchweif⸗ weiche Stoffe, durch ſchlechte Verwicklung, fehlehte Sprache und Modefloskeln noch mehr verwäflert, Spektakelſtücke traten vor das Publiftum; die flilfe Größe der Tragödie, die Anmuth ber Komödie fehlten; flatt das Volk zu ſich emporzuheben, fliegen die Poeten zu dem verborbenen Geſchmack der Menge herunter; die beſſern Stüde, welche die Zeit fhuf, wie Uhlands Herzog Ernft oder Fr. von Heydens Renata, die reinen Erzeugniffe Goethe's und Schillers, das Gute des Auslandes, vermochte nit durchzudringen. Einen großen Theil der Schul trugen die Intendanzen. So ſchildert Platen die Bühne. Den größten Berfall fah er in der Herrihaft der Schickſalstragödie. Der Bater diefer Gattung war Werner, der Chorführer Müllner, feine Sünger Raupach, Houmwald, und mit etwas mehr Geift und Poefle Grillparzer. Die Reihe diefer Schidfalspoeten trat feit den Befreiungsfriegen hervor; die Zeit, welche nach jenen Tagen wie nach einer durchwachten Nacht folgte, nahm flarke Reizungen

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dankbar auf; eine fo ſtark gepfeflerte Speife wie Die Schickſals⸗ tragoͤdie ſagte dem überreizten Geſchmack volllommen zu. Der ungeheure Succeß jener Dichtungen ift nur aus einer krank⸗ haften Zeit zu begreifen. Wo man in Politik und Kirche um- herfuchte, um das echte zu finden, bei ber Unruhe und ven Schwingungen aller Lebensfreife, da mußte auch bie Literatur umbertaften, neue Bahnen ſuchen, irren und fehlen, um zum Fortfhritt zu gelangen. Die große Schidlfalsibee des Alterthums wurbe gierig erfaßt und in Tragöbdien verzerrt abgefpiegelt; Die weiche den Spaniern entlehnte Form, in Verbindung mit jener Idee, ſchien eine treffliche Vermittlung des Antilen und Roman- tifhen zu geben; man glaubte ven Geift von beiden erfaßt zu haben, und hatte von beiden in ber That nichts; denn auch bie, Form war verzerrt... Es traten, namentlih gegen Müllner, manche Gegner und Parobiften ' auf, denen es jedoch mehr mit der Perfon des Angefeindeten, als mit dem Dichter zu thun war. Bis in die Mitte des vorigen Decenniums haben viele Männer, bie in ber Literratur Geltung hatten, bie große Menge aber unbedingt den Schidfalspoeten angehangen. Platen läßt fon, bevor er den entſcheidenden Streih führte, 1824 den Prinzen Bliomberis im „Schatz des Rhampfinit“ fagen:

Die Schuld ift eine Mißgeburt der Zeit!

h was nur auf die Müllnerfche bezogen einen Sinn gibt, und fhon 1823 weist er im Prolog zum „gläfernen Pantoffel” auf

ı Zu erwähnen find Börne’s Theaterkrititen, Tiecks dramaturgiſche Blätter und „ver Schidfalsftrumpf" (Leipzig) von Caftelli und Seitteles unter dem Namen der Gebrüder Fatalis gevichtet, Dies Produkt war ohne Anmuth und formlos,

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ben Mord, die wilde Ungebühr und bie Thaten eines klaͤglichen Geſchicks, Die das deutſche Schaugeräft erfüllen, tadelnd Hin. Dieſen theatraliſchen Bombaft zu befämpfen fühlte fi der Poet berufen. Gigene, ihm felbft nicht genügende Verſuche hatten ihm die Schwierigkeit einer aͤchten Tragödie nahe gelegt. Eine Serfpottung jener Poeten, fofern fie nichts als Verfpottung wäre, hielt der Poet feiner nicht würdig, er wählte baher eine Korm, die ihn zwang, neben ber Negation aud etwas Pofltives auf zuftellen, bie ber arifiophanifchen Komödie. In Deutſchland if vor Platen nur ein halber Verſuch in diefer Gattung durch Fr. Rüderts „Napoleon“ gemacht worben. Diefe treffliche, wenn auch Hier und ba mehr epifche als dramatiſche, dem Geiſte des Ariftophanes volllommen gemäße Komödie ift leider unvollendet, und, was noch mehr zu beklagen, unbeachtet geblieben. Das Gepräge der alten attifchen Komödie ift firenger Ernft im Ge wanbe ber ungezügeliftien Laune; Teine didaktiſche oder morali: firende Tendenz, aber eine tief ethifche belebt die Dichtungen des Arifiophanes. Der Komiker, im Sinne des Alterthums, ergreift die gefammte Mitwelt in einem möglichft engen Raume; feine Poeſte ift überall ſymboliſch, wo fle nicht phantaftifch auf: tritt. Aus beiden Elementen beſteht ihr Wefen. Ginzelne Ge⸗ Ralten find die Repräfentanten ganzer Richtungen; bie Verkehrt⸗ heiten einer Gattung werden auf ein Individuum gehaͤuft. Dieſe Individunalitäten tragen aber nicht durchgaͤngig das Gepraͤge eines beſtimmten Charakters; einzelne markirte perſoͤnliche Züge werben fireng feftgehalten; im Uebrigen herrſcht die freiefte Be⸗ weglichfeit. Alles was ber Dichter weiß, dürfen auch feine Per- fonen wifien, und wenn es dem Poeten gefällt, bürfen fie bie

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- Maske abnehmen, um ein ganz frembartiges Geſicht zu zeigen; fo geſchieht es namentlih in ben Parabafen. Platen ſchloß

fih dem Ariſtophanes möglihft eng an; nur daß er die Bara- bafen häufte. Er bradite Methode in die -Thorheit der Schic- falspoeten, ihre nichtigen Beftrebungen um ein nichtiges Siel

behandelte er mit ſcheinbar feierlihem @ifer, im Hintergrund:

fhimmert eine Welt von reinern Geftalten,: mit geläutertem Handeln durch. Pan Hat diefe Art von Komödien eine unge- fehrte Tragödie genannt, vielleicht nur der Antithefe wegen, aber fehr bezeichnend. Die Tragödie zeigt den Kampf des Sitt- lihen gegen das Böfe, und läßt das erftere über das lebtere fle- . gen, macht alfo die reineren Geftalten zu den Hauptperfonen des Stüds; die Komödie Hingegen ftellt das Unterliegen des Böfen ober Hebel vor der Gewalt des Beffern dar, und erhebt die moralifch befleckten Gattungen in einzelne Perfonen zufammen- gedrängt in den Vordergrund der Handlung. Der Zweck beider dramatifhen Richtungen iſt demnach derfelbe, nur in der Wahl der Mittel, diefen Zweck zu erfüllen, weichen fie ab. Aus bie- - fen Andeutungen wird ſich „Die verhängnißvolle Gabel“ (Stutt- gart 1826) leicht begreifen laffien. Man hat dem Dichter vor- geworfen, er habe in derfelben nur Schatten, durchaus Feine Charaktere gefchaffen. Diefe Anſicht ift gegründef, kann aber nach dem Obigen fein Borwurf mehr fein; ja Pfaten Hat felbft auf Charaktere verzichtet. Phyllis fagt in der Babel: „wohin laß ich herab mid, und warum verleih’ ich einer Albernheit Unſterblichkeit?“ und Damon: „was fal’ ih aus der Rolle?“ Er ſpricht es in einem Briefe an ©. Schwab endlid ausbrüd- lich aus, daß er Charaktere mit dem Stüde unvereinbar Halte.

XXXII Der Styl dieſer Romöbie iſt einfach, klar und flüchtig hinflie⸗ ind; die Sprache erhebt fi von dem tiefften in bie hoͤchſten Legionen; im Bathos felbf wird eine niedere Redensart nicht eihmaht, fo trug Phyllis „ringsfließendes Haar, wie ein Bandwurm lang ‚“

und Kogebue, „ſchmierte, wie man Stiefeln ſchmiert.“ Kein Beſtandtheil des Komifchen wird verworfen, vom feinſten Witze

bis zum Cynismus Herunter muß Alles an feinem Orte dienen.

Die Häufung einzelner Wörter zur Bezeichnung eines Gefammt- begriff (Gabel 3, 102 ff. Dedipus 1, 51 ff.) und, was im Weſen damit einerlei if, die Bildung langer Wörter, wie: Obertollhausuͤberſchnappungsnarrenſchiff, Demogogenriechernas⸗ hornsangeſicht, Freiſchuͤtzcaskadenfeuerwerkmaſchinerie, Franz⸗ hornzigeunerzeunedeutſchberlinerei, Depeſchenmordbrandehebruchs⸗ wrolerin, Quinteſſenztragoͤdien u. ſ. w. find feine müßige Spielerei, fe Hängen mit dem Weſen ber Komödie auf das Genaueſte zu: ſammen; fie entfiehen aus dem Zuſammendraͤngen des Verkehr⸗ ten in einen engſten Raum und finden fih bei allen Komikern aus der Zeit des alten attiſchen Luſtſpiels.

Platen fehrieb die verkängnißuolle Gabel zu Anfang des Jahres 1826; eine Art von Prolog zu berfelben bildet das ber „Dame Pig“ gefchriebene Gedicht (S. 262 dieſes Bandes). Wir Rellen Hier zufammen, was Platen in Betreff feines Lufifpiels an G. Schwab, mit dem er damals lebhaft cortefpondirte, ge ſchrieben Hat: In diefer Komödie Hoffe ich nad langen Pfu- ſchereien mein. Meiſterſtück abgelegt zu haben und in die Zunft der Unfterblichen einzugehen. Bon dieſen Lüftfpielen Hat, außer

Blaten, fammtl. Werte. L ıu

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in Griechenland, nie eins eriflirt. Die arifiophanifche Komödie iſt mir als bie einzig wahre erfäjienen, aber ih habe fie unferer Bühne vollkommen mobifleirt. Im Politiſchen bin ich vorfichtig gemweien, und habe nichts gejagt, was ſich nicht jede Zeitung erlaubt; dieß gefhah, um mir nit den Weg nad Italien zu

| verfperren, wohin ich fo fehr trachte. Ich habe nichts gefchrie- ben als die reine Wahrheit, wie könnt’ ich fonft fhreiben wie

ih fhreibe? Die Barabafen find alle auf das erhabenfte aus⸗ geftattet und fprühen Begeiſterung. Die Ausfälle erſcheinen gegen das Uebrige als Kleinigkeiten, die felbft Diejenigen, die es trifft, hie und da verzeihen werben, durch die Anmuth der Form beſtochen. Das Stüd ift fein Pasquill auf Mülfner, er ift vielmehr eine hoͤchſt beiläufige Sache darin. Ich habe das Bud nit anonym erfcheinen laflen, weil man bieß‘ für Ver zagtheit halten könnte und es das Anfehen einer Flugſchrift ge-

. winnen würde, ba es gerade das Gegentheil, ein Kunftwert, if.

Die Komödie, eben weil ße etwas ganz Mniverfelles if, kann niemals eine univerfelle Anerkennung finden; dafür findet aber auch Jeder etwas für feinen Gaumen. In Deutihland findet ih, da alles Deffentliche und Politiſche ausgefchloffen bleiben muß, wei- . ter fein Stoff für die wahre Komödie, als der literarifhe. Es frent mich wenigftens, dieſes Luftfpiel als eine Art von beuts ſchem Muſter in dieſer Gattung hingeflellt zu haben, an welchen die Aeſthetiker, was das nn bes Komiſchen betrifft, Lange Zeit, lernen können.“

Bir find fchon wiederholt der auf Italien gerichteten Sehn⸗ ſucht des Dichters begegnet. In der „Babel“ find die Ausbrüche

‚berfelben unverkennbar; er glüht für den Wunſch, bald fi in

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ein Land zu flüͤchten, wo die Kunſt fo reich geblüht; er laͤßt Eirmio fingen:

D wonnigliche Reifeluft,

An dich geden® ich früh und fpat, Der Sommer naht, der Sommer naht, Mat, Juni, Juli und Auguſt.

" An Schwab ſchrieb er: „An Italien denke ich mein Leben zu befchließen, und wenn ih mich dahin betteln müßte; denn nur dort Hoffe ich meine Kunſt zur Volllommenheit zu bringen, wenn biefes Wort nit ein Frevel if. Aus der bil benden Kunft ziehe ich die größten Belehrungen.“ Sein Wunſch wurde gewährt; die I. ©. CGotta'ſche Buchhandlung honorirte die Gabel anftändigft; König Ludwig, dem der Dichter fein Wert

einreichte, bewilligte den erbetenen Urlaub; am 3. September -

1826 trat PBlaten von Erlangen aus feine italifche Reife an. Mit diefer Ortsveraͤnderung eröffnet fich eine neue Perigbe in der künfllerifhen Entwicklung des Boeten. Es war nicht allein das Anfchauen und Verſtaͤndniß antiker und moderner Kunſt⸗ (höpfungen, was ihn in Jtalien auf eime neue Bahn führte; auch wenn wir die ſüdliche Natur und ihre reizenden Ginbrüde auf das Gemüth des - Dichters hinzunehmen, koͤnnen wir den Foriſchritt feiner Poefle noch nicht vollig erflären. Die Haupt- utſache zu jenen charaktergroßen Kunffhöpfungen und ihrer Hafiihen Rundung fehen wir in der ungeflörten Muße, die der Dichter fortan genoß, und in der Entfernung vom Getriebe bes deutfhen Literarifchen Lebens. Platen war von nun an allen mmittelbaren Cinflüffen Amderer entrüdt, die Impivibualität

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feiner Poeſte vermochte ſich unverkümmert und unveraͤndert zu entwickeln. Sein Charakter entfaltete ſich frei, und der Charakter macht den Dichter erſt zum wahrhaften Poeten. Seigte bie „Babel“ Thon ein entfchiedenes Hinneigen zu den Formen bes - klaſſiſchen Alterthums, fo bekundete fie doch zugleich durch ihre Vermiſchung mit romanifchen Formen, daß der Verfaſſer noch nicht ganz frei und unbefangen über den Formen fland. Es würde für uns von Bortheil fein, Hätten wir die Fragmente der unvollendeten Tragödie „Triftan und Iſolde,“ welche nad einer Andeutung in den Briefen an Schwab das Gewand ber griechiſchen Tragödie trug, vor Augen, weil daraus erhellen würbe, wie ber Dichter die für die deutfche Literatur noch ungelöste Aufgabe angegriffen, einen mittelalterlichen Stoff in eine Elaflifche Form zu bringen.

Bor der Abreife aus Deutfchland hatte der Dichter bei feinem Freunde, dem Grafen Fr. Fugger, eine Sammlung von Sonetten zurüdgelaffen, die er für das Seelenvollſte feiner Poefien erflärte. Aus der italifhen Seit find fpäter nur wenige hinzugelommen (Nr. 42, 81, 85, 86, 87). Bor feiner Abreiſe nach Italien ſang er:

O wohl mir, daß in ferne Regionen Ich flüchten darf, an einem fremden Strande Darf athmen unter gütigeren Zonen! - Wo. mir zerriffen find die lezten Bande, Wo Haß und Undank edle Liebe lohnen, Wie bin ich fatt von meinem Baterlande!

Mag immerhin der größte Theil dieſes Unmuths in per- fönlihen Berhältniffen feine Quelle haben, er Hatte es dem Dichter faft unmöglich gemacht länger in ber Heimath zu leben.

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Mit der Trennung von Deutſchland, ſchon ba, „wo won Schnee vr Alpen Gipfel glänzen,“ Lehrte eine männlicdere Faſſung zu- cd; ein gleicher, rein individuellen Beziehungen entfprungener Inmuth begegnet uns fpäter nur Ginmal wieder, zu einer Zeit es Platen wieder in Deutfchland vermweilte.

Im Herbfte 1826 treffen wir den Dichter in Florenz, wo a, „mehr und mehr Zukunft im Herzen,“. der kalten Mitwelt entfagen lernt. Hier entſtand die Ode „Florenz.“ Den Winter kebte er in Rom. Die dortigen Umgebungen flimmien melan- holiſch Acht Oden (3—10) aus diefer Zeit geben die Bin- drüde, welche den Dichter Hier beftürmten, Ear zurüd; „doch ind das freilich‘ nur Splitter eines unermeßlichen Gebäudes. Diefe grandiofen Ruinen, dieſe wüften Bläge, dieſe folgen Villen mit ihren bunfeln unverwelffichen Heden und Allen, in benen km das Laub fih rührt, diefe ewig plätfchernden Spring: brunnen, die Peterskirche, die Engelsburg, Alles fcheint wie auf der Serle zu laſten.“ Die ungewohnte Milpigkeit des Klima's, das im Winter dem Frühling gleicht, wurde dem Deutfchen vers verblih; feine Nerven litten in Rom fo fehr, daß er den Arzt tonfultiren mußte. Dieſer verbot jede größere, die Geiftesfräfte dauernd anfpannende Arbeit. Die unzertreunlihen Rückwir⸗ hingen auf die Stimmung des Dichters find unverkennbar. Jene agreifende Ode, die er in der Neujahrsnacht 18?%),, ſchrieb, siht hiervon ben angenfälligften Beweis. Er Hagt, ob ihn das &ihid vergebens an die Reſte der Vorzeit geführt, und Augen m Herz geftählt habe,

lehrt mich größere Schritte, lehrt mich Einen gewaltigen Gaug.

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Es fehlte nicht an poetiſchem Stoff, aber der Dichter war um die Bewaͤltigung deſſelben, um die Form im hoͤhern Wort⸗ finne verlegen. Doch dieß war nicht die einzige Sorge; er klagt, Wahrheiten verfchweigen zu müflen, und hier glauben wir bie erſte Spur einer Hinneigung zu politifhen Dichtungen zu finden. Die Trauer, fi in’der Heimath verfannt- zu wiflen, zudte auch noh im Gemüthe nad), indeß fchon mit den letzten Schwin- gungen. Bald beruhigte ihn das Vertrauen auf eine gerechtere Zufunft, und wenn er fpäter diefe Saite wieder anfchlägt, fo. thut er es mit Ironie und Spott; Beweis genug, baß er einen Standpunkt über biefer Megung gefunden.

Sn Rom, wo er feine Kunft zur. Vollendung zu bringen

noch vor Kurzem geträumt hatte, war feines Dleibens nicht

länger; bie Sorge für feine Gefunpheit und mehr noch ein, heftiges Verlatigen, Italien ganz kennen zu lernen, trieb ihn, mit dem Beginne bes Frühlings die Siehenhügelflabt zu ver- lafien. Bor der Abreife hatte er eine Sammlung feiner lyriſchen Gedichte, fo weit fie ihm gelungen fchienen, nach Deutſchland geſchickt; fie befchränkte fih auf Romanzen und Lieder, vermifchte Gedichte, Safelen und Sonette. Später fügte er no bie in Stalien gefchriebenen Oben, Eklogen und eine Hymne hinzu. Mit dem letztgenannten Gedichte nahm er Abfhied von Rom und zeigt uns den Weg, auf dem wir ihm zu folgen haben, den Weg nad Neapel. Die Sammlung erfchien 1828 zu Stutt- gart. In Ode, Ekloge und Hymne fchloß fih Platen antiken Muftern an, Horaz, Theokrit und Pindar. Die beiden erften Gattungen, die fi in den Kreifen des nicht Außerorbentlidden bewegen, find an ſich verflänblih und verlanden; Horaz und

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Theokrit Find in Deutſchland den Gebildeten befannt, nicht in gleihem Maße Pindar. Eine Erörterung diefer Hymnenpoeſie verfchieben wir inbeß fo lange, bis uns ber Bang ber Skizze auf eine Zeit führt, in welcher der Dichter fi faſt ungelheilt diefer Gattung hingab.

Der Gefundheitszuftand Platens, den wir im April 1827 zu Neapel wieder finden, beflerte fi von Tage zu Tage. „Hier werde ich meinen bleibenden Aufenthalt aufſchlagen,“ ſchreibt er an Schwab, „bier ift eine Heilfame Luft, ein unmwandelbarer Himmel und ringsum Elyſium.“ Es fehlte ihm aber an zu⸗ fagender Geſellſchaft; einfam, fi felbft hingegeben, verlebte er bie erſte Zeit feines Aufenthaltes in der fehönen Stadt. Die „Bilder Neapels“ führen uns in die Stimmung bes Dichters. Die wechſelvollen Eindrüde der Stadt, des Hafens, des Meeres hoben fein Gemüth zu ruhiger Klarheit empor; auf fich befchränft drohte er wieder in bie alte Melancholie zu verfinten. Mancher Dichter, fagt er,

Mancher Dichter vielleicht, In der Dede des Nords erzeugt, Schleicht Hier unter vem Himmel des Glücks, und dem Heimatland Stimmt er fühen Gefang und gebiegenen Redeton, Freiheit fingt er und männliche Würde der felgen Zeit. Ach nicht wähnt er den Neid zu beflegen und weilt entfernt, Taub den Beinden und boffend, es werde die fpätre Welt

" Spröu von Weizen zu fcheiden verſtehn.

Sn der Stimmung biefer Tage, wo die fchrofffien Gegen; fäge um die Kraft des Dichters rangen, war es ein wirklicher Gewinn für ihn, einen gleichgefinnten Freund zu finden. Auguft

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Kopiſch aus Breslau, „ein Lehrling der Kunſt, welche bas Auge ö

lot," zugleich Dichter, nur wenige Jahre jünger als Blaten, kam von Stelien nad Neapel und lebte den Sommer hindurch dem Grafen gefeli. In diefen forglos heitern Monaten machten fie gemeinfam Heine Ausflüge nad Capri, Iſchia und den übrigen Snfeln des Golfs. Kopifch, der Entbeder der blauen Grotte, gab Platen Unterrit im Schwimmen, was er felbft rüflig übte. Die vier Oben (11, 12, 17, 26), welche Blaten feinem Freunde mwibmete, und die beiden ihm von Kopifch gewibmeten, ' führen uns in das fehöne, zwifchen beiden beftandene Verhaͤltniß lebendig ein. Ihr fehnlicher Wunſch war es, das Innere Sieiliens ge- meinfam zu beſuchen; er blieb unerfült. Sm Herbfle gieng Platen nah Sorrent, während Kopiſch in Neapel zurüdblieb. In diefer Zeit erfuhr unfer Dichter von dem Befuche, ven König Ludwig von Bayern am 28. Auguft bei Goethe in Weimar ab- geftattet, und zugleih von dem Gedichte, dem erflen öffentlich

befannt gewordenen, welches der König in Beziehung auf biefen

Befuh gedichte (zuerfi gebrudt in der Allgemeinen Zeitung, dann im Morgenblatt Nro. 254, und fpäter in der Eöniglichen

Gedichtſammlung). Die Begeifterung, die das Gedicht des Königs, -

namentlih in Frankreich, hervorrief, erweckte auch Platen zu

jener glänzenden Ode „An Goethe.“ Neben erfreulihen Kunden diefer Art trafen den Dichter

unfreundliche Stimmen aus Deutfhland. Wir haben vorher ein

Zenion Karl Immermanns aus Heine’s Neifebildern angeführt,

auf das wir hier zurüdfommen müſſen. Heine nahm jenes und

andere Epigramme feines „hohen Mitftrebenden“ vorläufig in

AM. Kopifche Gedichte. Berlin 1836. &. 302—808.

den Berliner Jahrbüchern für wiſſenſchaftliche Kritik (1827, Are. 97) angezeigt und feinem Freunde Heine dabei das Eom- pliment gemadt, er halte ihn für ein dem Petrarfa Homogenes Talent. Platen befam von den Angriffen, weldhe Immermann und Heine denn biefer Hatte fie gebilligt gegen ihn ge tihtet, im September 1827 Kunde. Aus feinem Aufenthalte in Deutſchland, wo er fo viel bramatifche Productionen gelefen, waren ihm Immermanns Dramen no im Gedaͤchtniß; er er- wähnt vorzüglich der beiden Trauerfpiele „Cardenis und Gelinde” (Berlin 1826) und „das Trauerfpiel in Tyrol“ (Hamb. 1827). Bon Heine, dem damals no wenig Senannten, fheint Platen nur die beiden erſten Theile der Neifebilder gelannt zu haben.

xXLI fein Bitzbuch auf, ke er felbR erſt fpäterhin fidh über das Thema verfelben,, über deutſche Literaturmifäre verbreiten wollte. Im⸗ nermann hatte den erften Theil der Heine'ſchen Meifebilder in

Durch die „verhängnißvolle Gabel” mar der Dichter in bie ari⸗

num die Form wiederum auf und begann den „Romantifchen Debipus“ zu fchreiben. Wer es. der Mühe werth gehalten, ſich etwas mehr als oberflächlich mit Platens Charakter befannt zu nahen, wer feine Werfe fludirt hat, wird eingeflehen, daß eine fo formlofe Anfeindung, wie die Karl Immermanns, nit Kraft genug in fi trug, den Dichter zu einem Werke, dem romans tifhen Debipus gleih, zu flaheln, wenn es auch unläugbar bleiben muß, daß jenes von Heine bevorwortete Zenion den Anlaß bet, gerade. bie beiten Düſſeldorfer als Repräfentanten einer anwidernden Literatitrphafe Hinzuftellen. Was wir oben über

den Anlaß dieſes Streites gefagt Haben; gibt auch Platen im

Rophanifche Komödie eingeweiht werben; im Oktober nahm er

XLII

letzten Akte des Oedipus zu verſtehen, indem er Nimmermann zum Verſtande ſagen läßt:

Baft ahn' ich, welcher Dichterſchule, Nüchterner,

Du Huldigung barbringeft! Deiner Lieblinge

Modernfter tft gewißlich jener Dürftige,

Bon welchem längft behaubtet meine Zenten, “Daß er die Verfe, die er ſchreibt, vomtre blos?

Gedanfenarmut, denn ich Hab’ ihn arm genanut

Verbirgt er hinter Kuͤnſtlichkeit!

Aber, wie geſagt, Platen richtete den Kampf nicht blos gegen Immermann; ed war vielmehr ein begeiſterter Verthei⸗ bigungstampf pro aris et focis der Poefte felbft. Nach ven Meberreizungen zu Anfange bes varigen Decenniums folgte, im Großen und Ganzen betrachtet, eine impotente Erfchlaffung der _ poetifchen Literatur des Vaterlandes, welche fpäter die burfchikofe Nonchalance möglih machte. Platens Geift war auch aus der Ferne mit liebevoller Wärme der Heimath zugefehrt; es mußte den patrivtifhen Poeten fchmerzen, die Literatur Deutſchlands, das Einzige worauf es wahrhaft ſtolz fein durfte, flets tiefer finten zu fehen; er unternahm daher den Kampf gegen bie Uebel und Schäden, welche Deutfchland im Schooße trug. Alles was matt, formlos, unklar, verberbli und ſchwaͤchend in ber Lite: ratur, und faum in diefer allein, Hervorgetreten, wurde vom Dichter zum GBegenftand des Kampfes gemacht. Die fingirte Berfon Nimmermanns wurde zum Träger alles deſſen, was ber Poet für faul und fchäplih Hielt, auscerforen; brum heißt es in Dedipus:

XLIII

geſalbt zum Stellvertreter hab' ich dich

Der ganzen tollen Dichterlingsgenoſſen ſchaft, Die auf dem Hackbrett Fieberträume phantaflıt, Und unfere dentfche Heldenſprache ganz entweibt.

Platen ſchrieb nicht ohne guten Grund an Schwab: „Sie werben fehen, um wie viel höher der romantifche Oedipus ſteht als die Gabel; und zugleich, wie er bei einem ähnlichen Gehalte fo ganz von ihr verfchieden if." Man hat aber vieß faft überall nicht zugeſtehen wollen, indem man ſich durdy den erfien An: _ fhein verführen ließ, den Dedipus für ein Pasquill gegen Im⸗ merman zu halten. Andere Stimmen haben gemeint, was Platen fage, möge recht gut fein, wenn er nur Gründe dafür beigebracht. Dieß Heißt das Weſen ber Poefie überhaupt ver- fennen, und von einem Gebichte verlangen, es folle eine Ingifche Deduction liefern. Die Poeſie fordert unbebingten und unmit- telbaren Glauben; was fie als gut hinftellt, das will fie als gut anerkannt wiflen, und worauf fie, wenn auch nur mit leifer Deutung, tabelnd hinweist, das fol verworfen werben. Die wahre Boefle Hält fih, bewußt-oder unbewußt, für lauter und gut, weil ihre Duelle fittlih und rein iſt; fie fagt nit: So follt ihr werben, fondern: So bin ih! Dieß if Platens Lehre von der Poeſie, und vorzüglih im Debipus hat er fi davon durchdrungen gezeigt. In dem Zwifchenfpiele hat er den Irr⸗ gängen einer Poefle, welche er die romantifche nennt, was mit dem bergebradhten Sinne biefes Wortes indefien wenig gemein bat, unermüdlich nachgeſpürt; er hat die verkehrte Anlage, bie verfehrte Verwicklung, die verfehrte Ausführung und bie ver- kehrte Tendenz getreu copirt; die wenigen echaben klingenden

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Seenen haben nur tragiſche Schminke, nicht tragiſchen Charakter; durch ihre Verbindung mit den übrigen Theilen des Gedichts find fie in ein komiſches Licht gerückt. Dieß war die Abficht des Dichters;

Irrtümern bin ich gefolgt und Habe, da falfcher Schein Beträügt, die Hefe geſchöpft, zu zeigen, wie fchlecht ver Wein,

fagt er in der Nachſchrift an den Romantiker. Hierburcd iſt auch Goethe's Anſicht,“ Platen babe es fi dadurch, daß er im Debipus die tragiſchen Motive parodiſtiſch angewandt, unmöglich gemacht ſelbſt eine Tragödie zu fühaffen, erledigt; denn Blaten tadelt ja nur die falfide Anwendung jener tragifchen Hebel Eine Elafie von Beurtheilern bat gemeint, Platen fei mit feinem Kampfe zu fpät gekommen; was Hunderte ſchon vor ihm gefagt

- fage er wieder, viel fhöner und fräftiger, aber nichts Neues;

er habe die beffere Kritik: in den Journalen ver lebten Jahr:

zehnte in Verſe gebracht, in Verfe, Die dem Kampf eine einige

Dauer geben würden. Diefe Kritifer gerade machen noch jetzt mit denen, gegen welche Platen kämpfte, gemeinfchaftliche Sache und loben das Matte und (im Sinne der Kunft) Unflitliche heute noch wie ehemals; fie beweifen dadurch, wie wenig wahr ed fei, zu Tagen, der Dichter fei nad geihaner Arbeit gelommen. Mir meinen dagegen, Platen habe Recht, wenn er Hagt:

1 Der romantifche Oedipus trägt Spuren, daß, befonders was das Technifche betrifft, gerade Platen ver Mann war, um bie befte veutſche Tragödie zu fehreiben, allein nachdem ex im gebachten Stüd vie tragi- fhen Motive parodiſtiſch gebraucht hat, wie will er jegt noch in allem Ernſt eine Tragödie machen! Goethe's Geſprache mit Eckermann, Br. J, S. 262, vom 11. Febr. 1881.

XLV

Es war ein allzu jugenblich Beginnen, Daß ich, wie Joſeph, meinen Traum verkündet; Draus hat fih mir der Brüder Neid entſponnen, Die gern mich würfen in den tiefflen Bronnen.

Die Form und Sprache des Debipus fleht auf einer hoͤhern Etnfe der Vollendung, als irgend ein anderes ber Platenfchen Werke, denn wenn auch hie und ba einige fiebenfüßige Trimeter erfeheinen, Daktylen in ber dritten Sylbe lang gebraudt, @äfuren unbeachtet geblieben, Auflöfungen an falſche Stellen gerüdt find, fo ift dieß doch von fehr untergeordneter Bebeutung und läßt auch fo noch Alles, was vor und nad) diefem Stüde von Ans dern in neuhochdeutſcher Sprache gefchrieben, felbft die Platen- ſchen Brobufte früherer Zeit, tief Hinter Ih im Schatten. Doc hievon gänzlich abgefehen, die sullfommene Beherrſchung des Stoffes durch Compofition der Babel, die lichtvolle Vertheilung ber Rythmen, Kraft, Würde, Leichtigkeit und Anmuth ber Verfe, neue, gefügige Bortfielung, Erhabenheit ber Gedanken, die überall aus ben komi⸗ fhen Umkleidungen hervorbrechen, und bie volle Maͤchtigkeit des Ausdrucks drücken dieſem Luſtſpiel das Stegel der Vollendung auf.

Die Abfaſſung des Luſtſpiels befchäftigte den Dichter vom Ditober 1827 bis Mitte Februars bes folgenden Jahres faſt ausfhlieglih; er trug es mit fih nah Rom, wohin er im Spätjahr 1827 von Sorrmt aus zurüdgegangen. In ber Ant: wort an einen Ungenannten, welcher dem Dichter ber verhängnißs vollen Babel in Nro. 311 des Morgenblattes von 1827 ein Gedicht gewidmet, ' fpridht er von feinem Werke mit ber größten Wärme:

s Das Gevicht findet ſich auch in den Literaturbriefen v. 3. Mindwig Leipzig 1838), Br. I, ©. 906 ff. abgerrudi.

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Eher nicht an enre Herzen Hopf ich an, an eure Pforten, Bis das Schöufte nicht gethan ich, eine große That in Worten, Welche Falte Sinne glühn macht, Lob erpreßt von Sylbenklaubern,

Selbft ven Feinden muß gefallen und die Breunde ganz begaubern.

Mit diefen zu Anfang Februars in Rom gefhriebenen Zeilen iR nur der Debipus gemeint; auch die einige Verſe früher er⸗ wähnten „Ddyffeen” würden wir bei einem längeren Leben Des Dichters nicht mehr zu erwarten gehabt haben, weil wir: fle be: reits befigen; er werftand darunter ein epifches Gedicht, deſſen Abentener fi in der Form von Reifen darſtellen follten, nämlich „bie Abaffiden,“ wie er unter den „Sliaden in volle! Waffen- rüftung“ gleichfalls nur ein Gedicht Friegerifhen, kaͤmpfenden Gehalts, nämlich den Debipus begriff. Wir erwähnen das aus⸗ drüdiih, weil man gerade auf diefe Stelle den Vorwurf ge- gründet flieht, Platen habe viel ET: aber feine Ber: beißungen wenig erfüllt.

So ſehr der Dichter, als er den Debipns ausarbeitete, von dem Stoff erfüllt war, er ift in der Folge niemals wieder auf biefen Streit zurüdgelommen, während Immermann und Heine denfelben eine gute Weile fortführten. Hat auch Immermann, wie gern eingeräumt wird, * fein „Tulifäntchen“ nit gegen Platen gerichtet, und in feiner Meinen Schrift „der im Irr⸗ garten der Metrik umbertaumelnde Cavalier- nur diejenige

ı Meine frühere Annahme, als ſei Tulifäntchen gegen Platen ge- fehrieben, beruhte auf einer undeutlichen Darftellung des Dr. Häring (Wr Aleris), der meine Auslegung in ven Blättern für literar, Unter- haltung (1840. Nr. 16) abgelehnt hatte, worauf mich Immermanns

Bruder nach dem Erſcheinen der Tafchenausgabe der Platenſchen Werke unterm 1. Juni 1844 aufmerffam machte.

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Roihwehr geübt, die feine allernächfte Freundſchaft für unerläßlich erachten mochte, während feine eigene eblere Natur ſich gegen die unedlere Form der Entgegnung fcheint gefträubt zu haben; fo fpielte dagegen Heine, der wie aus einem Briefe Platens an Schelling ! hervorgeht, der eigentlihe Aufreizger und Anflifter gewefen war, den Streit fo fehr ins Perfönlige und bediente fih fo durchaus nidhtswürbiger Mittel, den gefährlichen Gegner zu erniebrigen, daß auf foldhe Angriffe feine andere Antwort als das Schweigen ber tiefften Verachtung zuläffig erſchien. Diefe Antwort wählte Blaten.

- Seit dem December oder November 1827 Iebte er wieder in Rom; er hatte fi vorgenommen, zu Enve Februars bes naͤchſten Jahre nad Neapel zurüdzufchten; allein das unterblieb. Bon Berlin aus war ibm aus Beranlaffung bes damaligen Kron⸗ prinzen ber Antrag gemacht worden, für das jährliche Honorar von britikalbtaufend Thalern eine kritiſche Zeitfchrift über Die Bühne herauszugeben. Der Dichter flug es unbedenklich ans. Sn Rom verkehrte er mit den durchreiſenden Deutfchen, 3. 8. dem Profeſſor Schwenf, dem Fürften Taris und Andern. In Briefen an G. Schwab fpricht er wiederholt von W. Waiblinger, der, ein frühreifes Talent, fi einem Wandel ergeben, ber fi durch frühen Tod rächte. Diefe Briefpaflagen find für Platens Charakter nicht ohne Bebeutung. Bon Rom drängte es ben Dichter nah dem Norden Italiens, den er außer Florenz und Benedig faſt gar nicht fannte. Der in einem Briefe aus Rom vom 18. März mitgetheilte Reiſeplan erlitt Abänderungen. Der Dichter reiste über Terni, wo er den Waflerfall des Velino

1 Abgedruckt in ver Hannov. Morgenzeitung 1845. Nr. 24.

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rauſchen hoͤrte und ben kryſtallkllaren Elitunmus fah, nach dem paradiefifch gelegenen Spoletv. Am 4. Mai war er zu Perugia. Bon hier ging er über Piftoja, Prato, Monte Pulciano, Monte Divieto, Volterra und Elba. Nah Furzem Aufenthalt auf der Inſel machte er ſich wieder auf, nahm in Livorno GSeebäber, und reiste über Piſa nach Florenz. Hier verlebte er auf dem Landhaufe feines Freundes des Freiherrn von Rumohr, bes Gaftsonomen und Kunftfenners, heitere Tage. Bon Florenz wandte er Ah im Juni nach Nordweſten, und flug in einer am Strande gelegenen Billa der Infel Palmaria feine Wohnung anf. Die Hier geſchriebene Einladung an Rumohr, voll heiterer Laune ımd gewürzt mit leifer Ironie über bie Feinheit ber Numohrſchen Sinne, Zunge, Aug' und Ohr, führt uns in die behaglich uͤbermüthige Stimmung bes Dichters. Er fand auf Valmaria ungeftörte Muße, aber er blieb unthätig für bie Voefle. Bon der Infel gieng er zu Ende des Sommers nach Genua, ohne daſelbſt fange zu verweilen:

kein Bleiben vergönnt des Geſchicks Befchluß mir: Iwar freiwillig und doch ein Gezwungener muß ich, Muß dich wieder verlaffen, ©enua, blühende Statt!

u. ber zu Genua gebichteten Ode. Die häufig wech He veifelazunen führten ihn im Herbie nad) Parma, wo er on ee DOde „die Wiege des Königs von Rom“ ſchrieb. ei FUS trat er eine Wanderung durch bad Piemonteſiſche ia ® ihm der laͤcherlich ſonderbare Fall ſich ereignete, daß n ihm ſeine eigenen Gedichte conſiscirte. Schnell verließ er

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ben militaͤriſch⸗jefuitifchen Staat und wandte ſich nach Mailand und Bergamo, wo er die Gebrüder Frizzoni, die Zoͤglinge ſeines Freundes Gündel aus Sachſen, kennen und ſchaͤtzen lernte. Bon Bergamo eilte er aus ber „nebelreichen Lombardei“ über Eremona nad Toscana, und das Feine Gedicht „Flucht nad Toscana” fagt uns, daß er im December in Florenz eintraf. Hier verweilte er einige Wochen.

Im Jahre 1828 wurde Platen Mitglied der königlichen Afademie der Wiſſenſchaften. Diefer Gnade des Königs Ludwig von Bayern, welcher fhon als Kronprinz die Beflrebungen bes Dichters mit wohlwollendem Auge beobachtet hatte, verbanfte er, defien phyfiſche Bebürfniffe von jeher fehr gering waren, eine hinreichend unabhängige Eriftenz.

Zu Ende des Jahres 1828 gieng Platen nad Siena, wo er im Haufe ber liebenswürdigen Gräfin Pieri, einer gebornen Spanochi, ein fehr gerngefehener Gaft war. Im Haufe biefer eben, aus Deutſchland flammenden Dame, von welcher ber Dichter in der ihr gewinmeten Abſchiedsode fingt:

Dichtkunſt hebt und Muſik, wahre Gefelligkeit | Hebt dein Leben empor (wie es der Deutfchen giemt) Aus einförmigem Kreislauf, Den fchlaftrunfen Italien träumt,

verfammelt fi Alles, was auf edle Bildung in Siena Anſpruch

macht; bier erfann der Poet den Plan zu feinen „Abaſſiden“,

den er noch in biefem Jahre, bier und da in Italien umher⸗

freifend, ausführte. Denn er weilte nicht lange in Siena;

der Beginn ber guten Jahrszeit machte ihn aufs Neue zum Platen, fämmtl, Werte, I. iv

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Würbiigen Wanderer. Es fehlen uns aus biefer Zeit Platens Briefe a Cawab, und wir haben nur vermuthungsweife aus feinen Spiatummen den Weg finden Eönnen, ven er auf feinen Wan- derangen einfchlug. Bisher Hatte er fa nur den Wehen ber apenniniichen Halbinfel beſucht; es drängte ihn, nun aud bie gRliche Seite fennen zu lernen. Hier ergab er ſich hauptſächlich @indien über Architektur; die Tempel und Paläfte Italiens wurden ihn befannt, und manche klare Anficht über Kunſt und Kunſtgeſchichte findet fi in den Epigrammen niedergelegt. Wir folgen ihm, zunaͤchſt von Affifi ausgehend, durch die Küften- (Ander bes Oſtens. Gr war in diefem Jahre in Ascoli, Fermo, Asona, Sinigaglia, Urbino, San Marino, Ravenna, Bologna, Ferrara, Arquà und Benedig. Hier verweilte er längere Zeit, und wie er früher die Eindrüde diefer Stadt in den feelenvollen Sonetten niedergelegt hatte, fo hauchte er jebt die Gefühle in jene Reihe glänzender Epigramme, die ihres Gleichen nur wenig haben. Ueber den Eharafter diefer Dichtungen fagt er:

Blos Aufſchriften ja find Epigramme, die Treue der Wahrheit Aber verleiht oftmals kleinen Geſängen Gehalt.

Dieſe Diſtichen ſchließen ſich denen der griechiſchen Anthologie in Geiſt und Form meiſtens an; fie find nicht auf Witz abge⸗ ſchen; Naturbilder, Reifeerinnerungen, fentenzartige Gebanfen, Seufſer, Ermunterungen, Heine Charakterſtizzen, Anfichten über Hund und Welt, Alles in concifer, an das Spibfindige flreifenber Sprache vorgetragen, das macht den Stoff diefer Kleinen, klaſſiſch abgerumbeten Gedichte. Die meiften derfelben find auf des Dichters

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Wanderungen durch Stalten, eittige bei der Ausführung größerer Gedichte, andere auf deutſchem Boden entflanden.

Bon Venedig machte der Poet Heine Ausflüge in bie Um⸗ gegend. Auf feinen Reifen und Wanderungen trug er feine Abaffiden mit fih und nahm aud nad Neapel, ale er fi im Jahr 1830 dorthin begab, den unvellendeten Stoff mit- fi. Es ift begreiflih, daß in diefem reizenden, durchſichtig Haren Gedichte die Lieblichften Bilder, zu denen ganz Stalien beiſteuerte, in großer Fülle vorübergleiten. Die innere Gliederung biefes Gedichts, das er zur Zeit der Entitehung für fein gelungenftes Merk anfah, ift überaus einfach; mit den unſcheinbarſten Mitteln bewegt er bie heitere, lebenswarme Maͤrchenwelt; Mäßigung in jeder Nüdficht bezeichnet dieß Lied in allen feinen Theilen; es entzündet nicht, es reißt nicht hin, aber es erfüllt mit wohl thuender Wärme: es fest uns nit in Zucht und Schreden; aber es erhält in gleihmäßiger, fanfter Spannung; es reizt nicht zum Lachen, aber es firömt eine milde Heiterkeit über das Gemuͤth ans. Das Märchen, fo weit es uns nicht mehr auf Religionsglauben Bezug hat, erwerkt überhaupt deßhalb einen fo günftigen Geifteszuftand, weil es die Unmöglichkeiten mit ber finblichften Glaubenstreue vorträgt und nie an den Wundern feiner Welt mit dem leifeften Hauche des Zweifels zu flreifen fih einfallen Taßt. Boeten, weldhe nicht felbft an die heitere Unfchuld des Märchens glaubten, wie Mufäus, Wieland und Andere, Tonnten wohl für eine Strede Zeit Effekt maden, aber fie haben fi übermüthig der ewigen Jugend entfchlagen. Den Platenfchen Nbafliden prognofticiren wir eine lange, Tebendige Dauer. Das Gedicht fand faſt durchgängig den ungetheilteſten

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Beifall und die freundlichſte Anerkennung; die Kundigen er blickten auch hier wieder, teog bes unfcheinbaren Gewandes, das den ſerbiſchen Volksliedern eigen und ſchon früher in Deutſch⸗ fand angewandt if, Platens Meifterfhaft in ber Form im höheren DVerftänpnifie des Wortes; die Gegner wähnten, ber Dichter babe fich herabgeſtimmt; Jeder las es in feinem Sinne unb hatte in feiner Weife Vergnügen daran.! Die Dichtung, im Jahr 1830 vollendet, erſchien zuerſt gebruct in dem Tafchen- buche „Veſta für 1834 (S. 81— 224) und fpäter zu Stuttgart (1835) einzeln, mit dem Prologe, der zu Wien die Genfur nicht paflirt war.

Platen ergab fih in Neapel, wo er von 1830 bis 1832 lebte, biftorifchen Studien. - Ueberhaupt wandte er fidh feit der Sommerreife des Jahres 1829 immer mehr von der rein ibealen Nichtung, die er bis dahin in der Poefle genommen, auf bie Erfheinungen der Wirklichkeit, und fuchte fie durch die Poeſte zu bewältigen, fei es um fle in das Bereich des Spottes, in bas Licht des Berwerflichen ober in einen Glorienſchein der Ders klaͤrung zu rüden. Die franzoͤſiſche Iulirevolution ergriff auch den Dichter mit ihrem .eleftrifchen Feuer; feine Ode an Karl den Zehnten macht den Anfang zu einer Reihe von politifchen Gedichten, die, wenn auch überall die Vollendung des Stoffes zeigend, doch auch das unverfennbare Gepräge der Zeitbewegung an fih tragen. Platen war feiner Natur nad ruhig in pas fitifchen Dingen gefinnt. Aber wo findet ſich ein wahrer Poet,

1 Segenwärtig find einzelne Partien auch in Leſebücher zum Schul. gebrauche aufgenommen, was denen gefagt fein mag, vie Platens Popu- laritat Yäugnen, weil fie pas Volk nur kennen, wie fie es fih denken.

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der nit mit der Freiheit fympathifirte? Ste if, in ihrer Ent ſtehung, das nad Geflaltung Ringende, das zur Ordnung Stre bende, fie iſt die möglichfle Verwirklichung der Sittlichkeit. Der Boet kann fi ihrer Gewalt nicht entziehen. Platen, flets em⸗ pfänglich, wenn irgendwo Edles auftauchte, wuchs und Boden gewann, konnte es noch weniger. Mit entfhiebenftem Freimuthe, mit der ganzen Kraft der Liebe für Wahrheit und Sittlichfeit im Staatsleben gab er ſich den Einprüden der Seit hin. Die polnifche Revolution brachte in ihm einen lange fhon genährten Nuffenhaß, dem wir bereits in einer Stelle des Debipus bes gegnen, zum Ausbruche, einen Haß, der ihn fogar gegen bie Wahrheiten der Geſchichte blind macht und ihn verleitet, den Petrowitſch Alerei als unfchuldigen Martyr des Defpotismus zu fhildern, während die beglaubigte Geſchichte doch ganz anders urtbeilt. Diefer Ruffenhaß, nirgends flürfer als in dem von Dante's Geifte durchwehten „Reich der Geiſter“ ausgefprocdhen, wandte die Blicke des Dichters auch auf die tiefere Gliederung des DBaterlandes; er wünfchte einen Kaifer zurüd; er fah in Preußen ein Bollwerf gegen Aſten; in dem Gedichte „an einen deutfhen Staat” will er Preußen zur ungweideutigen Stärke ber Freiheit erhoben fehen; er räth der Heimath zur Annäherung‘ an das wwiebergeborne Frankreih; im Süboft wollte er eine Schanze gegen Rußland gebaut fehen. Aber feine Worte dran- gen nicht ein, meinte er; wie Kaflandra, welcher der Gott in den Mund gefpieen, daß Niemand ihren Prophezeihungen Glau- ben fchenkte, glaubt er dazuftehen in einem Lanbe, wo „ber Rubel auf Reifen“ zum Verrath des Vaterlandes verlodte. Er erfannte die Gefahren, welche ex felbft durch feine freimüthigen

ww.

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Worte fich herbeiziehen Tonne, aber er wollte fle nicht ſcheuen; er wollte reden, wie ihn der Geift trieb, und follte ex verlaflen und allein fterben wie Ulrich Hutten. j

: Aus diefer Zeit ſtammt eine Reihe von politifchen Gedichten, geößtentheils Polenliedern, die zum Theil ſchon das ausfprechen, was ein Decennium fpäter als neue Offenbgrung aufgenommen und bejubelt wurde. Die Entfchievenheit diefer ergreifenden Gedichte und dabei dennoch die Mäßigung bes Charakters gibt ihnen einen Werth, der weit über die perfönliche Bedeutſamkeit

Hinausgreift. Sie wurden fpäter zu Straßburg 1839 gebrudt

und erlebten dort 1841 die zweite Auflage.

Wir folgen dem Dichter nun in andere Gebiete, wohin ihn zwar auch der Nufienhaß getrieben, worin er aber frei von ber Aeußerung beffelben auftritt. Suerft treffen wir bier auf bie „Geſchichten des Königreichs Neapel“ (Frankfurt 1833) mit einem Motto aus ben Gefängen bes Grafen Leopardi, das wir hier nad Kannegießers Lieberfeßung (Leipzig 1837. ©. 87) mits tbeilen:

Ich wähle anders, minder liebliches

Sefhäft und fammle drin des ehrnen Lebens Eklen Gewinn: die bittre Wahrheit, blinde Beitimmung Irbifcher und ewiger Dinge

Zu fpähen. Und wenn von der Wahrheit Vernünftelnd dann die Welt fich meiner Rede Nicht fehr erfreut, wohl auch fie nicht verficht, So Mag ich nicht, denn längſt iſt dann bas alte Wirre Gelüft nach Ruhm in mir erlofchen, Zwar keine eitle Gottheit, doch noch blindre Gottheit ale Glück, als Schickſal und als Liebe.

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Aus den Wirren der Gegenwart flüchtete er in das Gebiet ver Geſchichte, und nach dem Motto zu urtheilen würben wir bei einem längern Leben Blatens wohl niemals wieder ein Wert größern Umfangs zu erwarten ‘gehabt haben, das nicht auf geſchichtlichem Grund und Boden aufgebaut worden wäre. Der ausgefprochene Zwed jener neapolitaniſchen Geſchichten war, buch. eine Darftellung ter Sitten zur Zeit der Königin Johanna zu zeigen, „baß kein Roman fo römantifch ift als die Geſchichte ſelbſt,“ und auf diefe Weife eine entfräftenve Lectüre zurückzu⸗ drangen. Die Vorrede deutet einige andere hiſtoriſche Arbeiten Platens (aus der venetianifhen Gefchichte) an. Wir wiſſen nit, ob etwas davon unter feinem Nachlaſſe vorgefunden wurde. Eine andere poetifche Gabe jedoch beſtaͤrkt uns in dem Glauben, daß es mit den verheißenen Darftelungen ernftlich gemeint war. Im Sahre 1832 kam der Dichter, um eine Ießte Pflicht zu er füllen, nad Deutfhland zurüd. Sein Vater war geftorben. Den Winter brachte er Ri in Münden zu. Doch Ternte er einen Studenten, Wilhelm ride, jest in Bremen, kennen, der in recht anziehender Weife Kber feinen Verkehr mit Platen berichtet ‚Hat (Pofaune 1840. Nr. 11— 14), und beiläufig denn auch die haͤßliche Art rügt, wie Lewald, der den Dichter nicht fannte, in feinem Panorama von Münden (1, 63) nad) ben Ausfagen einiger Kranzofen über benfelben urtheilte. Zu Müns hen ſchrieb Platen im December 1832 „bie Liga von Cambrai.“ Hatte ihm der Blick auf Rußland nur Gefahren angedroht, fo« gar den Verrath des PVaterlandes gezeigt, fo wandte er ihn nun wiederum in das Neid der Gefchichte, fuchte und fand begeifternde Bilder des Patriotismus. Die Liga von Gambrai

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fehr oft Hart getadelt, weil man in ihr eine der verfprodhenen Tragddien vor ſich zu haben wähnte, ſtets nur in Bezug auf Platens frühere Werke, niemals als Produkt für ſich beurtheilt, von einem anonymen Mecenfenten, ' gegen den Platen feine Epigramme fchleudert, als republilanifch verfeßert, die Liga ift ein Produkt politifch-poetifcher Zeiteindrücke; fie fol einen Gegenſatz des Patriotismus, im Allgemeinen genommen, gegen Despotie bilden. Das Stud führt in eine Zeit Venedigs, wo biefer Freiſtaat Durch Fehler der Bolitif einen herben Sturm gegen fi heraufbefhwor, aus welchem er durch männlichen Muth, duch Milde und Konfequenz als Sieger hervorgieng; dieß if der Grundgedanke. Der erfte Alt beginnt mit ber Wie derlage an der Abba, ber letzte endet mit ber venetifhen Er⸗ oberung Padua's. Im erflen Akte if das ganze Unheil, das über die Republik hereinbricht, in Turzen, fcharfen Zügen ger fhildert; im zweiten häufen ſich die Schläge, Venedig verliert die Ausfiht auf Hülfe, fogar die feſten Pläge, die es zu reiten hoffen durfte; es foll felbft die apulifchen Häfen freiwillig her⸗ ausgeben; im Innern droht burd ein hochfahrendes Wort des

1 In ven Berliner Jahrbüchern für wiſſenſchaftliche Kritik, 1833, Ort, Nr. 77, ©. 599. Der Recenfent tavelt ven Stoff ala unpoetiſch, ven bie ganze Behandlung als Nebenfache betrachte. Der erſte Akt fei nichts als Converfation zwifchen Boll und Senatoren über Venedigs alte Größe und jegige Gefahr. Der zweite Akt führe ven Dpgen und mehrere Senatoren vor, deren keiner eine beftimmte Perfönlichleit habe. Alles gebe ohne Aufregung und Energie in Sprache wie in Aktion vor fih. Erft im drit⸗ ten Akte gemännen bie Interefien einige Lebenpigkeit, und obwohl nach wie vor in der Dichtung eigentlich die Dichtung fehle, und im ganzen Drama nichts als eben vie Hauptfache, das Drama felbfi, vermißt werde, fo erfabre man doch jet, marum es dem Dichter eigentlich zu thun ge- weſen, nämlich um ven Patriotismus ver Repulikaner.

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Dogen Zwiſt zu entbrennen; da ſchlaͤgt dieſer zwei Defchlüfe vor. Der eine bezweckt eine Vergütung des Schadens, den die Provinzen um ber Mepublik willen erdulden, der andere mibindet das Land feines Cides gegen- bie Republik, wodurch es für einen möglichen Heimfall an den Staat ſicher fein darf, nicht

als Rebell behandelt zu werden. Bon nun an kehrt der Sieg.

in Benedig ein; fon durch bie Rückkehr des Garbinals Gri⸗ mani, ber bei feinen vertriebenen Vater in Rom lebte, wirb er angedeutet, und ‚bald darauf verfündet Gritti die Ginnahme Padua's. Bir wänfhten Raum zu Haben, um bie ganze Schoͤn⸗ heit diefes Fleinen Drama’s zu zergliedern und zu zeigen, baß Blaten Hier, wie in allen. feinen poetifchen Werfen, wieberum einen neuen, für die Literatur Frucht bringenden Pfad einge ſchlagen. Das ganze Gedicht, bis in die Fleinken Fakta hinein, iR hiſtoriſch tren. Mo der Staat ſelbſt zur Hauptfigur bes Stüdes gemacht ift, da bürfen die einzelnen Berfonen gegen denſelben zurücktreten, wiewohl fie Dennoch nicht ohne indivibuelle Züge Hingeftelt find. Wer in den Offenbarungen ber Poeſie sit nur die Darſtellung eines vereinzelten Stoffes, fondern bie Symboliſtrung vieler gleichartigen Gedanken burd einen einzigen zu erbliden vermag, ber wird auch an dieſem Drama Platend Gefallen haben, ohne daß er der tiefern Duelle vefielben nad zuſpüren nöthig Hätte. Wir Halten Platens Cpigramm auf fein Stud, unter dem Namen „Skigge,“ fehr treffend:

Dftmals zeichnet der Meifter ein Bild durch wenige Striche,

Bas mit unendlichen Wuſt nie der Geſelle vermag. Bon München reiste der Dichter im Jahre 1833 nad) Venebig

mrüd; bier entflanden bie beiden reizenden Cklogen: „Philemons

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Ted“ und „das Fiſchermaͤdchen in Burano,“ fo wie einige. ber Benedig handelnde Epigramme. Zu Ende des Jahres kehrte ex bauptfähli wegen einer noͤthig gewordenen ziveiten Auflage feiner „Gedichte“ nah Münden zurüd. Im Frühling hatte Schannes Mindiwis in Leipzig bem Dichter ein Gedicht, ' das griechifch und deutſch erſchien, gewidmet und zugefandt. Platen antwortete darauf in einem Briefe vom 18. December 1833. Seit diefer Zeit wurde zwifchen beiden ein Briefwechfel bis zum Tode des Dichters geführt. Für die Herausgabe diefer und ber von Platen an Schwab gerichteten Briefe ift man dem Heraus⸗ geber Dank fchuldig, weil ohne biefelben eine empfindliche Lürke in der Kenntniß von Blatens lebten Jahren und mancher ſchoͤne Zug feines Charakters unbekannt geblieben wäre. Aus diefen Briefen faſſen wir des Dichters letzte Lebensſchickſale Hier zu⸗ fammen. Im Frühling 1834 reiste Platen von Münden nad) Augsburg zu feinem thenren Freunde, dem Grafen Friedrich Fugger, der ihm jetzt nun auch in- jene Welt nachgefolgt; er farb am 16. September 1838, befchäftigt feinem Sugendfreunde durch die Herausgabe diefer gefammelten Werke ein Denkmal zu fegen, aere perennius, wie Horaz fagt. Damals gab Platen bie zweite Auflage feiner „Gedichte,“ welche zu Augsburg ger drudt wurde, unter eigner Revifion heraus. War ſchon bie erſte Ausgabe mit firenger Kritik beforgt, fo war es bie zweite noch viel mehr. Alle Gedichte, die der Dichter einer bleibenden Dauer nicht tHeilhaft glaubte, waren ausgeftoßen; andere, deren Form unvollflommen erfchten oder in denen Anſichten ausgefprochen,

1Wiedergedruckt in dem Buche von 3. Mindwig: Graf Platen ale Menlch und Dichter. Literaturhriefe. Leipzig. 1898." ©. 25.

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von welchen der Poet zurüdgelonmen, wurden umgearbeitet. Dagegen fanden bie hie und da im beutfchen Muſenalmanache md Journalen zerfireuten Lieder Aufnahme. Die Jugendgebichte and Momanzen wurden von ben Balladen gefondert. Die leg ten, weldye nicht blos gefchichtliche, fondern auch fagenhafte Stoffe, wie die Gründung Karthago’s und die Beflattung Ala⸗ richs, umfaflen, bilden eine der füßeflen und reifſten Früchte ver Blatenfchen Boefe. In dem Klagliede bes Kaifers Dito, durchdrungen von der mildeflen Kraft und der wärmften Ems pfindung, mit den unübertrefflihen Schlußzeilen, worin bas er- greifende Geſchick des Taiferlihen Jünglings fo kurz als kraͤftig gezeichnet, die Quelle ſeines ganzen Mißgeſchicks eroͤffnet iſt, in dieſer Ballade zeigt Platen die Macht, welche die Lyrik üben kann, wenn ein gefühlstiefer Dichter einen wuͤrdigen Stoff ers greift. Alle Bücher des Buches fanden Bereicherung; ganz neu hinzugelommen war ein Buch von 168 Bpigrammen, von benen wir fhon oben fprehen mußten; in gegenmwärtiger Ausgabe fonnten nur noch dreizehn nachgetragen werben. Die „Gedichte“ fanden bei ihrem Erſcheinen im Frühling 1834, die ungetheil- tete Bewunderung; alle Lefer trafen etwas ihrem Geſchmack Zuſagendes; daß Einzelne Einzelnes tadelten, verfland ih von ſelbſt; man Hatte nun aber, namentlid durch die Belegenheits- gebihte und Oben, welche nen hinzukamen, einjehen gelernt, daß hier doch mehr als bloße „Berskünfteleien” geboten würden, daß die Gedichte Ausflüffe eines tiefen, gebiegenen, über Kunf and Leben ruhig waltenden Geiftes feien. Neben jener Ge⸗ dichtſammlung defchäftigte den Dichter eine andere Arbeit, ein Drama. Mindwig forderte den Grafen auf, wiederum ein

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artftophanifches Lufifpiel zu ſchreiben, und erbot fidh zu einer Cha⸗ tatteriftil derjenigen Perſonen, welche er gern perfiflirt gefehen

- hätte. Platen lehnte das ab. Er konnte fich durch feine folche

Snfpiration erregen laſſen; ihm fei die beutfche Literatur ber letzten ſechs Jahre völlig unbefannt, fihrieb er; überbieß fei er mit andern Arbeiten befchäftigt. Die literariſchen Komoͤdien hatte er aufgegeben, er fann über einer politifchen; und bieß war auch ber einzige Weg, der ihm in der Komödie übrig geblieben, wenn er einen Fortſchritt machen wollte. Bruchflüde dieſer Komödie find erhalten. Au auf ein Drama rein ernften Gehalts, „Meleager“ betitelt, treffen wir im Jahr 1834. Uns find allein die beiden Bd. I. ©. 276 und 277 gebrudten Chorlieder zu der Tragödie bekannt. Zu Ende Aprils reiste Platen von Münden aus wiederum nad Italien ab, um nie wieder zu kehren. Im Juni war er, nachdem er zuvor in Toscana, zu Blorenz und Siena! ſechs Wochen verbradht, zu Neapel angefommen. Dort vermeilte er, der Seebäder mit ungeflörter Muße genießend, bis zur Mitte Septembers, und begab fib ſodann nad Florenz, wo er ben Winter zubradhte. In diefer Stadt hatte er öfter feinen Auf enthalt genommen. Was ein Hlorentinifcher Berihterflatter über ihn nad feinem Tode ſchrieb,? wollen wir Hier in ber Kürze ausheben. „Ein faſt zehmjähriger Aufenthalt in Italien, eine durch nichts getrübte und flets offen ausgefprochene Liebe für Alles, was Bergangenheit und Gegenwart Großes, Edles und Schönes erzeugt haben, genaue Bekanntſchaft mit der italienifchen

4 Eine Anekvote aus diefer Zeit im „Planeten“ 1839 Mr. 57. 2 „Blaten und die Italiener“ im Morgenblatte 1836 Nr. Wf. Wahr- ſcheinlich von W. 9. Schulz. ö

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Eiteratur und Sprache, Studien endlich, die in den lebten Tagen feines Lebens faſt ausſchließlich der Literatur diefes Dolls ge eibmet waren, mußten ihm in Stalien alle Edelgefinnten be runden. Die anfpruchlofe Perfönlichkeit Platens gab feiner wögezeichneten klaſſiſchen Bildung "und feinem poetifchen Talente einen um fo höhern Werth, je weniger vornehme Italiener Ber: dienfte diefer Art aufweifen Tonnen. Die Folge war das fchönfte Behfelverhältnig: Achtung, Wohlwollen und offenes Entgegen- fommen von Seiten ber Staliener,; von Seiten Platens, troß aller Reizbarkeit, die feine legten Jahre trübte, Unbefangenheit und eine ſtets wachſende Begeifterung für ben vielgelichten Süben. Es war natürlich, daß die Italiener nach dem Tode Goethe's Platen am liebſten als einen jener hiſtoriſchen Vermittler zweier Nationen anfahen und fi felbft am treueften in feinen Did tungen-bargeflellt glaubten. Die Veränderung, weldhe in den leßten Jahren mit ihm vorgegangen, fiel allen feinen floren⸗ Knien Freunden auf; man betrachtete ihn wirklich ala einen Sterbenden, und nur die Wenigflen hatten bei feinem Scheiben von Florenz Hoffnung, ihn ans dem Süden Italiens rückkehren m ſehen“ In Floxenz war Platen für die Poefle nicht um: tätig; ex bichtete zwei Hymnen, die eine ift an Friedrich Grafen von Fugger gerichtet, die andere ift eine Tobtenflage um ben am 2. März 1835 verfiorbenen Kaifer Franz. Im März gieng der Dichter nach Livorno, um fih auf dem Dampfboote nad) Reapel einzufchiffen. Ohne Berzug eilte er weiter nad) Sicilien, ven Boden ex mit dem Gedichte:

Vorzüglich war vie Platens Fall mit dem Dichter Giacomo Leo- u S. W. H. Schulz in Reumonts Italia 1840.

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Subrünftige fromme Gebete u. f. w. begrüßte. Hier dichtete er wieder mehrere Fefigefänge. In Pa⸗ lermo, von dem er fo bitter und Mräftig in einem Liede (S. 278 biefes Bandes) redet, hielt ex fh vier Wochen auf, durchfchweifte die Infel, wandte ſich nad) Calabrien, wo er nirgends längere Zeit verweilte, und gieng im Suli nad) Neapel zurüd. Die Hige und tägliche Seebäder machten ihn träg. Aus einem in Neapel gefehriebenen Briefe! an Mindwig entnehmen wir folgende Stelle: „Hier länger zu bleiben, ift kaum rathſam, da die Cholera ber veits in Toscana iſt und nicht fäumen wird hieherzufommen, In Neapel wird fie wegen der Unreinlichfeit und der ungeheuren Bevölferung dergeftalt wüten, daß ich nicht Luft habe Augen: zeuge davon zu fein. Ste wird zwar Sieilien nicht verſchonen, aber dort ift es wenigftens poetifcher zu fterben oder vielmehr begraben zu werden; benn bier iſt ber proteflantifhe Kirchhof unweit der Bordelle. In Sicilien giebt es natürlich gar feine peoteftantifchen Gottesäder, und man Hat wenigftens das Ver⸗ gnügen auf freiem elde beerdigt zu werden, vorausgefebt, daß no ein Vergnügen dabei iſt. Da ich zu jener Kranfheit viel Anlage habe,. fo hielt ich es nicht für unnütz, daran zu benfen, und habe auch wegen meines Titerarifchen Nachlaſſes Auftrag gegeben. Diefer befteht vorzüglich in zehn Hymnen (bie drei gedruckten mitgerechnet), die ein befonderes Büchlein bilden wer: den, und in jedem Fall das Befte find, was ich hervorgebracht. Denn bie fleben ungedruckten laffen die drei gedruckten weit hinter fih.. Hiezu habe ich eine Elegie als Zueignung bereits in Sicilien gefhrieben.” ı Mindwig Briefwechſel S. 87,

Diefe Worte geben uns den Anlaß, Uber die Hymnen bes Dichters einige erläuternde Bemerkungen einzuſchalten. Platen ſchloß fih in dieſen Gefängen dem Pindar an, von welchem dein wir noch vollſtaͤndige Werke der doriſchen Lyrik übrig haben. Die pindarifhe Hymnenpoeſie unterfcheidet ſich aͤußerlich von ber übrigen Lyrik durch eine vwielgeftaltigere Form ber Rhythmen. Die Feflgefänge des Thebanifchen Dichters, für ben Chortanz beftimmt, weifen gewöhnlih eine Wiederkehr von Eirophe, Gegenfirophe und Epode auf. Die rhythmiſche Ber

mit der Epobe. Hier können wie Platen nicht frei ſprechen von einigen rhythmiſchen Entflellungen. Da feine Hymnen nur zum

fe bei Bindar erfcheint, nicht für anwendbar, wenigftens nicht für nothwendig; er ließ deßhalb bald bie Strophe, bald bie Gpode fallen. * Vielleicht hielt er das deutfche Ohr nicht em⸗ blänglih für den vollendeten Rhythmus. Pindars Hymnen 1 Platens Hymne Abſchied von Rom hat ven Rhythmus ver Strophe

den Pindare achtem olympifchen Siegsliede, bier fehlt pie Epode bei Pater. Die erfte Hymne an die Brüder Frizzoni folgt ver Strophe

von Pine. Olymp. 12, bier fehlt wieder die Epode; überdieß find die

Verſe am Ende unrichtig abgetheilt, indem vie beiden letzten Zeilen nur einen Bers bilden Tönnen; die an Fugger hat vie Rhythmen aus Rind. Olymp. 10 (Böckh) entlehnt, und wieder die Epode fallen Iaffen. Die imeite Hhmne an bie Frizzoni ft aus den Rhythmen eines pinvarifchen Hagliedes, wovon nur ein Bragment übrig, genommen. Die auften Top v8 Kaiſers hat tie Epode des zehnten pythiſchen Liedes Pindars. Die u den Kronprinzen von Bahern gerichtete wählte in fig abgefchlofiene Ahethmen, Indem fle Pindars viertem nemeifchen Siegsliede fich anfchließt, delches nur die einfache Wiederkehr ver Strophe zeigt. Tie Rhythmen % übrigen Biatenfchen Feſtgeſange find nicht ans Pindar entlehnt,

riede der Strophe und Gegenſtrophe rundet und vollendet fid -

keſen beſtimmt find, fo hielt er die rhythmiſche Gliederung, wie

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haben eine durchaus eigenthümliche Gompofition; „fie. enthalten das Lob von Siegern in griehifhen Kampfipielen und wurden, meiftens in der Heimath, vor dem Sieger gefungen. Gin un- umwundenes, in das Angeflht dargebrachtes Lob war unſchick⸗ lich, ja vollig unflatthaft, wenn es, wie oft der Fall, mit ge Indem Tadel gemifht war; mitunter war der Sieg auch ein allzubürftiger Stoff. Pindar pries daher feine Helden, indem er Stammfagen, die allen Hörern befannt waren, in feinen Ge fang einflocht und fie dem Sieger gleihfam ale Spiegel vorhielt. Die Mythen, deren Deutung überdieß eine religiöfe Yärbung annahm, waren fämmtlich in Bezug auf den Steger gefeht, und diefer ertrug einen Tadel, ber auf ſolche Art dargebracht var, mitten im Siegesraufche. Die Hymmenpoefle folgte alfo, wie es jede Achte Dichtung that, Cinem Hauptgebanfen, fie ergriff und bildete Einen Hauptfloff und hatte Einheit in allen ihren Theilen. Bon. den übrigen Gattungen ber Lyrik unterſcheidet ſte ih nım noch durch bie Wahl eines höheren, über bie Kreife des ger wöhnlihen Menfchengefhids hinausragenden Borwurfs. Die Ode bedarf zwar auch einer gefteigerten Erhebung der gefammten Anfchauungsweife, allein nur einer innerhalb gewohnter Sphären, und kann ſich fehr wohl mit der reinperfönlichen Gefühlsäuße- rung des Poeten begnügen; wie fie ihre Stoffe in engeren Schranken wählte, fo beivegte fie fih auch in befchränkteren Formen, Rhythmen, Bildern. Die Hymne dagegen, von größerer formeller und materieller Exrpanfionsfraft, verfolgt zwar ihren Haupigedanken mit gleicher Confequenz, wie die Ode, aber wie fie rhyihmiſche Takte zu rhythmiſchen Theilen ausführt, fo ftellt fie auch, wo die Ode fih an Tropen und Gleichniſſen begnügt,

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ausgeführte Bilder als Berfinnliung ihres Gedankens auf, fie führt ihn durch eine Reihe Inrifcher Scenen, deren Wurzeln alle ſichtlich im Herzen des Dichters Tiegen. Durd das leßtere unter anderem fondert fie fi vom Epos, defien Epiſoden ohne Beziehung auf den Poeten erfcheinen. Die Ode gleicht einem Gefäß aus edlem Metalle, defien Rundung ein Kreis radirter Geftalten ziert, die Hymne einem Pokal von Reliefgeflalten umgeben, fie iſt ein

| erzgetriebenes Bildwerk des Lieds,

das Epos ift einer Gruppe von Statuen ähnlih. Um bieß, was fowohl auf Pindar als Platen feine Anwendung findet, näher zu fehen, bürfen wir nur glei Platens „Abſchied von Rom“ durchgehen und wir werben in al’ ven Bilderzügen aus Roms Geſchichte den Gedanken, der zur Schwermuth flimmte, ver: finnlidt finden:

Zeitläufte Hohn,

Aber Rom ſank, ſank und finkt.

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Wie es aber das Weſen der Poeſie ift, zu Täutern, zu erheben, fo fügt der Dichter auch in der 15. Strophe ben beruhigenden Troſt hinzu:

Selig, wem Thatkraft und behaglichen Sinn leiht Gegenwart n. f. w.

fo daß wir, faflen wir beide Theile des Gedichtes zuſammen,

den Hauptgebanfen, Sieg des ſich ewig jung fühlenden Muthes

über irdiſche Schwere, auf das gewandteſte durchgeführt fehen-

In dem reizenden Gedichte an ben Kronprinzen von Bayern ſpricht

der Boet den Hauptgebanten in den Verſen aus; im Munde Blaten, fammtl. Werke. 1. v

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des Dichters, der deines Haufes Glanz und den taufendjährigen Ruhm

wälzt lebt gleichreizend und ewig Heil und Unheil, Es ift diefe Hymne gewifiermaßen eine Entfhuldigung, warum der Poet nicht früher fon ein Lied an den Kronpringen ge: fungen; ex babe, fagt er, ftets den hohen Ruhm des bayrifchen Stammes vor Augen gehabt, und um dieß zu zeigen, führt er eine bayrifhe Stammfage und zwar eine der liebliääfien vor Augen, bie überdieß noch befhalb den Kronprinzen anfprechen mochte, weil fie zu Hohenfhwangau gemalt wurde. Eine andere Deutung, mit der gegebenen fehr, wohl vereinbar, halten wir für Diefen Ort nit paflend. Die Hymne an die Brüder Frizzoni entfland in Folge des Heinen Gedichtes „Flucht nad Toscana." Die lombardiſchen Freunde hatten eine Ehrenrettung ihrer Heimath gefordert. Platen führt nun Bilder von graufer Kraft vor und gefteht der Lombardie zu, fle habe Gewaltiges aufzumweifen, aber der Dichter

weilt ſtets lieber im Rofengebüfch, |

Das der leisauftretende Friede gewölbt dicht über dem Quell,

Wo Genuß in dem Schooß der Freundſchaft felig ruht. Wir können die übrigen Feftgefänge nicht gleihmäßig durchgehen, wiewohl eine Deutung der einzelnen Lieder nicht unnüß fein würde; der Dichter felbft fagt ja, daß dem befchwingten Klange oft erfi zu Fuß Verſtaͤndniß nachfolge, und an einer andern Stelle nennt er feine Feftlieder eine ernfte Sphinr des Gefanges. Mir geben ftatt deflen eine Zufammenftellung der Neußerungen Platens-über feine Feſtgeſänge. Zuerft tritt hervor, daß ber Dichter die drei erften Hymnen geringer achtet, als die folgen- den. Wie er allmählig vom Einfachen zum Höhern, vom Liebe

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zur Gafele, zum Sonett, zur Ode und endli zur Hymne ges langte und jeder Schritt auf feiner Iyrifhen Bahn ein Yorts fhritt der Gattungen war, fo war er auch innerhalb der ein- . zelnen Gattungen nie felbflzufrieben, er fland niemals ftill, fondern bewegte fi in fiherm gebiegenem Gange beftändig vorwärts. Die Frühlingslieder aus dem Jahre 1835 übertreffen an Flarer Bildung und an Tiefe bes Gefühls alle übrigen des Dichters. Die Balladen: der alte Gondolier und Kaifer Otto's Klaglied find in der Form fo knapp und präcis wie fie in der Empfindung tief find; fie ſtehen hoch über den dreizehn Jahre früher gebich- teten. Ein Blick auf Beginn und Schluß der Gelegenheits- gedichte wird auch Hier wieder die Ueberzeugung von einem fleten Fortſchritte des Dichters beftärfen. Der männlich gefunde Sinn in den legten’ Sonetten, namentlich in dem durch feine @infach- heit grandiofen Sonette, weldhes „Grabſchrift“ betitelt iſt, hebt auch diefe Dichtungen vortheilhaft hervor. Bon den Fortfchritten, welche Platen in der Ode machte, legen bie politifchen Zeugniß ab. Es kann demnach nur natürlich erfcheinen, daß auch die Hymnen der legten Zeit denen der früheren Lebenstage vorgezogen zu wer: den verdienen. Platen fpricht es unverzagt aus, daß er in ber Hymne die Iyrifhe Kunft Deutfchlands auf den Gipfel gebracht,

Frei fteht die Folge Jedem, ich fliege voran.

Fragen wir, warum hier ein höchfter Höhepunkt gewonnen? fo wird die Antiwort kurz diefe fein: weil in biefen Weftgefängen die erhabenften Gedanken in einer Form gegeben find, über weldde Hinaus die deutſche Sprache nicht gehen Tann; jene Ge⸗

banfenerhabenheit baſirt jedoch immer auf der reinften Wirklichkeit;

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die Vorgänge der Gegenwart find Hier in bie Glorie der Ber Härung gerüdt. Die Sprade iſt ſtets Har, natürlich, melos difch; der Vers überall dem Ohre, das fih nicht gegen Rhyth⸗ men verhärtet hat, überfichtlih, Leicht vernehmbar. Die Gefin- nung dieſer Yeflgefänge iſt (fo rein beutfh, unbefangen und großartig, daß auch ein Freund der Poefle, der beutihe Form verlangte, durch den Inhalt mit dem Gewande deflelben ausge . föhnt werden wird. Wir aber müffen befennen, daß diefe Ge⸗ dichte durchaus Feine andere Form haben konnten; ihre ganze innere Gliederung bis in bie vorübergehend angedeuteten Bilder würde anders fein müflen, wenn eine andere Yorm gewählt worden wäre. Br. Thierfch hat zuerft auf die großartige Er- fheinung dieſer fhönften Geſchenke der Platenfchen Mufe hinge⸗ wiefen und offen geftanden, daß bier die Lyrik unferer Nation’ auf einem Wendepunft nad dem Reichern, Vielgeflaltigern und Höhern ſtehe. Seitdem find nun jene flcilifchen Feſtlieder ges didhtet und von Verehrern des Verftorbenen, 3. B. H. Pudte, Verſuche gemacht dem „Boranfliegenden“ nachzufolgen.

Die Hymnen, unter denen eine unvollendete, waren Platens Schwanengefang. Die Furt vor der Cholera trieb ihn von Neapel im September 1835 wieder nah Sicilien. Zu Palermo nahm er auf ſechs Wochen feinen Aufenthalt; ex gab ſich wieder dem täglichen Genuß der Seebäder hin. Am 24. October, feinem neun und breißigften Geburtstage verließ er bie Stadt, durchs wanderte die Infel und traf am 11. November in Syrafus ein, um daſelbſt fein Winterquartier zu beziehen. Wir heben hier aus dem letzten Briefe Platens er ift an die Mutter gerichtet und vom 14. November datirt einige Stellen aus: „Das

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hiefige Klima iſt von der Art, daß ih bis jetzt meine Sommers leider noch nicht abgelegt habe und biefes bei offnen Fenſtern ſchreibe. Webrigens iſt man hier au gegen bie Kälte gar zu wenig gefhüst, die meiflen Zimmer, wie auch das meinige, haben gar Fein Plafond, fondern das nadte Dach über ſich, fo dag Die Winde und wahrſcheinlich auch hie und da ber Regen einen freien Durdigang genießen. Bis jebt war das Wetter hübſch und auch auf meiner Reife hatte ich blos zwei Regen- tage. Ich war hier an einen alten Herrn Namens Don Mario Landolina empfohlen, der mich ganz vorzüglich freundlich aufs nahm, mir aud eine Wohnung beforgte. Es giebt in Syrakus einen vortrefflichen Gafthof, wo ich auch zuerſt abftieg, aber da er eigentlih für die Engländer eingerichtet ift, fo find die Breife fo Hoch, daß ich nicht bleiben konnte, ich mußte mich daher mit einem fchledtem begnügen, wo ich bis jetzt ziemlich zufrieden bin.“ Bald darauf bezog er die von Don Landolina beforgte Wohnung. Meber das Ende des Dichters können wir nichts Genaueres geben als den Auszug aus einem Berichte bes öfter: reichifchen Bicefonfuls zu Syrafus, Gaetano Buffardeci, welchen der Nekrolog in ber Allgemeinen Seitung mittheilte. Der Vice⸗ fonful Hatte Briefe an Platen zu beforgen; er erfuhr, in der Locanda del’ Aretufa liege ein erfrankfter Deutfcher. Es war Blaten. Der Eonful fand ihn in den heftigiten Fieberſchmerzen, gab deßhalb die Briefe nit ab, fondern befchränfte ſich darauf, mit dem berbeigerufenen Ritter Landolina dem Kranken hülfs reich beizuſtehen. Landolina nahm fi während der Daner der Krankheit, fowohl unmittelbar als mittelbar duch feine Haus—⸗ genoffen, des Kranken mit der größten Sorgfalt an. Die

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Verſchlimmerung der Krankheit wurde nicht durch aͤrztliche Ber handlung herbeigeführt, ſondern der Graf ſelbſt beſchleunigte durch übermäßigen Gebrauch von Kamphergeiſt und Camillendekokte, deren er ſich, im Wahne von der Cholera befallen zu ſein, heimlich bediente, die Entzündung, der er am 5. December Nach⸗ mittags 3 Uhr erlag. Am folgenden Tage wurde die Leiche in einem hölzernen Sarge auf einen Trauerwagen erhoben, unter dem Geleite des Bicefonfuls und deſſen Sohnes, fobann des Nitters Landolina, des Stadtſyndikus und einer Dienerfhaft in Gala nad der Billa Landolina in der Nähe der Stabt geführt und dort, wo aud) einige Engländer begraben liegen, eingefenft- Landolina ließ ein Marmordenfmal über der Gruft aufführen. Die Infchrift, melde auf dem Monumente, dem Berichte öffent licher Blätter zufolge, ftehen follte, ift ebenfo wenig vorhanden wie die Reliefs, von denen die Sournale geredet haben. '

Die Nahriht vom Tode des Dichters wurde durch bie Münchener Blätter vom 1. Januar 1836 in Deutſchland befannt. Die deutschen Journale lieferten Skizzen von dem Leben des Verſtor⸗ benen; über den Dcean hinaus drang bie traurige Runde, eine beutfhe Zeitung in Philadelphia („der Adler des Weſtens“) lieferte einen Nekrolog; Gedichte wurden über, bie Gruft des eveln Sängers gefreut, das befte darunter if von Auguſt Kopifh. Johannes Minckwitz ſchrieb eine Biographie, die uns einige Züge geliefert Hat.

Ueberbliden wir Platens dichterifähe Laufbahn, fo treten

! Dr. Joh. Mindmis ift die unſchuldige Veranlafjung viefer Berichte. Eine von ihm ausgefprochene Anficht, wie das Monument geziert werden tönne, wurde von einem Notizenfchreiber ver Abenpzeitung (1839. Nr. 12)

fo aufgefaßt, als fei bereits ausgeführt, was noch nicht einmal ange- fangen war.

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zwei gefonderte Perioden vor Augen; bie eine umfaßt feine Jugendwerfe, zu weldhen wir die in rein beutfcher, orientalifcher and romanifcher Form auftretenden zählen; die andere umfaßt

ke in antifer Form gebildeten Werke, die ruhmvoll mit der Ode

m König Ludwig beginnen und glorwürdig mit ben Hymnen fliegen. Sie flammen faft alle von italifhem Boden. Durch beide Berioden hat ber Dichter ein ernftes Studium und eine große Würde des Charakters bewahrt; feine Poefien tragen zu allen Seiten die Spur des Hiefentfprungenen und unverbrofienen Etrebens nach Vollendung, das Gepräge innerer Luft und Heiter- fit, die aus dem reinen Dienfte ber Kunſt erwärmend hervor⸗ lenchten; die wenigen Gedichte, in denen eine verzehrende Me⸗ lancholie Ah Luft zu machen fdheint, verfähwinden gegen bie große Summe der übrigen. Platen Hat die Bildung unferes Welttheils und einen Theil defien, was der Orient gefchaffen, in. fh aufgenommen. Seine Anfichten, welche als diejenigen eines der bevorzugteften Männer Deutſchlands Werth haben, feine Anfihten über Religion, Politif, Kunft und Wiſſenſchaft genau zu⸗ fammenzuftellen, würde verdienſtlich und belehrend fein; wer, bie „Einheit im Zerſtreuten“ vor Augen haltend, die gegenwärtige Sammlung mit Liebe und Hingebung burchgeht, wird zu der unab- weislichen Heberzeugung gelangen, daß die Stufe der Bildung und des Talents, welche der Dichter, wo er auch immer als Menfch ge⸗ irrt Haben mag, einnimmt, nicht geringer und niedriger iſt als irgend eine, auf welcher deutſche Kraft, Würde und Ehre flehen.

Die Worte, welche der Derwifch in den Abbafliven von ſich Wriht, wenden wir als die fürzefle Bezeichnung des Platenfchen Bildungsganges auf den edeln Dichter an:

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Thätig unter Menfchen Lebt' ich ehmals; aber mein Gebanfe Wuchs in mir von Jahr zu Jahr, bis endlich Diefer Schat mir ganz allein genügte.

Statt eines Urtheild von und über Platens Sprache mögen hier einige Worte Jakob Grimme, die jedoch nicht für den Drud berechnet waren, als Schlußzier des Aufſatzes Plak finden: „Es hat mir bei Lefung von PBlatens Gedichten beftändig den ange: nehmften Eindrud Hinterlaffen, zu fehen, wie er auf Reinheit und Frifche des deutfchen Ausdruds forgfam hält. Seine Reime find faft ohne Tadel und flechen vortheilbaft ab won der Freiheit und Nachlaͤſſigkeit, die ſich Schiller, zum Theil auch Goethe zu Schulden fommen laffen. Denn felbft diefe Autoritäten bürfen ein feines Ohr nicht beftechen, es bezeichnet vielmehr die lare metrifche Ausbildung ihrer Zeit, daß fie fo oft fehlerhaft gereimt und feandirt haben. Rückerts Sprache ift blühender und gezierter als Platens, aber nicht fo rein, auch nit fo ergreifend. Das gegen fcheint mir Blaten Hin und wieder an das Kalte und Marmorne zu fireifen. Er liebt -einige orthographiſche Abs weihungen, bie an fih nicht unrecht find, aber lange nicht aus⸗ reihen, wenn unfere Schreibung aus dem Grunde follte gefäubert werben. Ich entfinne mich einzelner grammatifcher Verftöße bei ihm, die er abfihtlich begangen haben muß. Das Schidfal hat diefem edlen Dichter nicht vergönnt, feine Poeſie mit einem großen Werle, wonach er rang und firebte, zu verflegeln, das würde Licht und Glanz auf feine frühere Laufbahn zurüdgeworfen haben.“

Hannover, im Sept. 1846,

Karl Godeke.

Fieder und Nomanzen.

Blaten, fimmtl. Were 1. f ;

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t

Noch ungemiß, ob mich ver Bott befeele, Zu feinem Prieſter ob er mich geweiht, Malt’ ich die Haren Bilder meiner Seele

In glüdlicher Berborgenheit.

———— ——

An die Tulpe. 1812. |

Andre mögen Andre Toben,

Mir behagt dein reich Gewand;

Dur fein eigen Lied erhoben

Pflückt did eines Dichters Hand.

In des Megenbogens. fieben Barden wardſt du eingeweiht,

Und wir fehen was wir lieben

An dir zu derfelben Zeit.

Als mit ihrem Zauberſtabe Flora dich entſtehen ließ, Einte ſie des Duftes Gabe

Deinem hellen bunten Vließ;

Doch die Blumen all', die frohen

Standen nun voll Kummer da,

Als die Erde deinen hohen

Doppelzauber werden ſah.

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Goͤtlin! o zerſtoͤr' uns wieder, Denn wer blickt uns nur noch an? | Sprach die Roſe, ſprach der Flieder, Sprach der niedre Thymian.

Flora kam, um auszuſaugen

Deinen Blaͤttern ihren Duft: Du erfreu'ſt, ſie ſagt's, die Augen,

Sie erfreu'n die trunkne Lufi.

v

Der letzte Gaſt. 1813.

Der Alte. Was machſt du hier? Der Wind durchſaust Die menſchenleeren Gaſſen, Nicht hier, wo Sturm und Regen braust, Will ich zurück dich laſſen.

Komm mit herein ins heitre Haus, Siehſt du die Lichter glänzen? Dort leert fih mancher Becher aus Bei frohen Hochzeittänzen.

Man flieht die Freude Iuftiglaut Auf allen Zügen wellen,

Nur feheint die fehöne junge Braut Allein fie nicht zu theilen.

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Ich führe dich, fo komm herein, Nur Fe und unbeflommen! Mein froher Herr lädt Jeden ein, Und Jeder ift willfommen!

Der Jüngling. Dank, Alter; aber laßt mich hier Gelehnt an diefe Seule: Mehr ale Muſik dort Iob’ ih mir Dieß rauhe Sturmgeheule.

Nicht. weil’ ich, wo beim Kerzenfchein Der Becher Freist am Tifche, |

Daß nicht fih in den füßen Wein Die bittre Zähre miſche!

Nie wird die Freude Iufliglaut Mir aus den Augen .bliken;

Denn ab, die fihöne junge Braut, Ih Tann fie nicht befigen!

Sagt eurem Herrn, der fröhlich praßt, Daß er den Reigen meide;

Denn unten warte noch ein Gaft,

Den Degen aus der Scheibe.

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Mädchens Nachruf.

1813.

Schwalben ziehen, Blätter fallen, Und gefammelt liegt die Frucht: Ah mit meinen Freuden allen Nahm aud er bie raſche Flucht!

Unter nieverm Hüttendadhe Wohn’ ih, jener im Pallaft, Doch aus fürſtlichem Gemade Trieb ihn Mut und Kampfeshafl.

Als des Frührots erfled Tagen Mich vom Traume heut erwedt, Mar mit Dienern, Roffen, Wagen Diefer ganze Raum bebedt.

Und er fam im Jugendflore,

Hob fih auf fein Pferd im Nu,

Bebend fand ich unterm Thore, Sah dem fhönen Reiter zu.

Und im leichten Morgenkleide Treat zu ihm die Braut hervor, Dießmal ohne Gold und Seide, Do wie er im Iugendflor.

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Bon der Trennung nicht erfchroden, Küßt' er no ihr Stirn und Mund, Bei den Rippen bei den Locken Schwur er den beglüdten Bund.

Ritt mit Dienern und Bafallen, x Dantte meinem Gruße kaum:

S Schwalben ziehen, Blätter fallen, Sp zerfließt der Liebe Traum!

——

Der Maͤdchen Friedenslieder. 1813.

Die Erſte. O preiſe den Frieden, O preif ihn mit mir, . Der Kampf ift entfchieben, z Mein Trauter ift hier! Das Schwert an der Hüfte, Das faufet nit mehr Durch dampfende Lüfte, Die blutige Wehr.

Die Bweite. Meines Bufens Sammer töten Kann der laute Jubel nie: Dumpfe Trauermärfche flöten Shre lange Melodie.

SA

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| Düftern Rosmarin zu tragen,

Flechte ſich mein braunes Haar, 5

‚Denn er fiel im Kampf erfchlagen, |

Der mein Anverlobter var.

Die Erfie. Nicht diefe Geberden, Ein heiter Geficht! Mas unter der Erben, Erweckſt du ja nit! Biel Jünglinge fodern Der Jungfrau Sand, Laß modern, o modern, Mas unter dem Sand:

Die Bweite. Mögen fodern, mögen werben, Sie erwerben mid; ja nicht: Theilen möcht‘ ich fein Verderben, Doch der Tod erhört mich nicht! Ad, er trennt der Ehen Segen, Ad, er tritt ing blüh'nde Haus, Aber wer ihm Harrt entgegen, Dauert ohne Rettung aus.

Die Erſte. Sy Biele hienieden Bon nah und von fer,

9 Sie preiſen den Frieden, Sie loben den Herrn; Die Geigen ertoͤnen gu Tanz und Verein, Laß Klagen und Stöhnen Und flinnme mit ein!

Die Bweite. Und der Freude foll ich leben, Und das Herz entfeelt der Bram? Mas dir gütig Gott gegeben, Fühle, daß er mir es nahm. Wo die Stunden feftlich fliehen, Dort ift deine Seele, geh! Glücklichen iſt's nicht verliehen Zu begreifen fremdes Web.

Vergißmeinnicht. 1813.

Es gieng ein liebend Baar am See

Beim Untergang der Sonne,

Sie fagten fih ihr flilles Weh

Und ihre file Wonne.

Schon Hefper ſah vom Himmelsrand, Dod Beide giengen Hand in Hand, Umſchwebt von. fügen Träumen.

10

Ad, ſprach fie, wirft du morgen fo Wie heute mich umfaflen?

Und wird uns nit, im Wandel froh, Das Ihöne Glück verlaffen?

Ah, heute warm, und morgen warn, Nie bringt Geſchick der Liebe Harm! Erwiedert er der Bangen.

Wohl, rief fie, wohl, fo ſchwoͤr' ich bir Den frommen Schwur der Liebe,

Der Himmel hör’ ihn über mir,

Der Himmel fühlt bie Liebe!

Er wehe hoch zum Haus des Herrn, Der jenen erflen gold'nen Stern Vielleicht zum Throne wählte.

O fiehft du hier, dem Ufer nah, Die blauen Blumen blühen? Sinnbilder fteh'n fie vor uns ba, Mie tresie Herzen glühen,

Sie blüh'n dahin, fo il, fo gut, Es fchont fie feldft der Uebermut Der fpülend raſchen Wogen.

Geliebter, o brich eine mir, Die meinen Bufen Ihmüde! Der Jüngling eilt hinweg von ihr, Doc kehrt er nicht zurüde:

.

1

Die Blümkhen ſtanden jäh am Strand, Und als das Mädchen folgte, fand Sie mit der Flut ihn kämpfen.

So fland er todesringend ba, Befpült um Hals und Rüden,

Der Gute wagte fih zu nah,

Die Freundlichen zu pflüden:

Der Arm nur war ihm nicht benekt, Er hob ein Blümchen unverlept Empor no aus den Wellen.

Der Tod für dich iſt füß und Hold, Doc folge bald dem Treuen,

Dort oben überm Sternengold

Laß ung den Bund erneuen

Noch fleh’ ih, da mein Auge bricht, Bergiß mein nicht! Dergiß mein nicht! Und über ihn die Wafler.

Das Blümchen fpülen aus der Hand, Der finfenden, die Wogen,

Es treibt fih an den nahen Strand, Magnetifh angezogen;

Sie hebt es auf im tiefſten Schmerz, Sie drüdt es weinend an ihr Herz,

Mit unaufhaltbarm Kummer.

a 12 So wankte nun bie Dulberin

Bon des Geliebten Grabe,

Sie grämte fih, fie welfte hin,

Wie feine letzte Gabe;

Nun wohnen Beide ho im Licht,

Doc Heißt feitdem Vergiß mein nicht

Die Keine blaue Blume.

GErinnerung. 1814.

Ach, jede Stelle lacht mich an, Wo fie die irunknen Augen fay'n, Und feber Boden, wo fie fland, Iſt mir ein paradieſiſch Land. Die Wiefe, die ihre Fuß gebrüdt, Wird ihrer Blumen abgepflüdt. An jener Linde, wo fie faß,

Da leg’ ih mid in's hohe Gras. Und dorten flieht das liebe Haus, Da harrt' ich täglich, gieng fie aus. Erinnerung, o welche Seit Entrückſt du der Vergeſſenheit!

1814.

Einfam fhweif ih im Gefolg der Nacht, Die fo geru ber Liebende durchwacht.

a)

13

Hoffnung fralt mir wie der Mond fo fern, Totenkerze feheint mir jeder Stern.

D, wie füß ſich's nicht da unten ruht! Ruf’ ih, ſeh' ich die beſtralte Flut:

D, wie fhön ſich's nicht auf Wolken wiegt! Ruf ih, wenn mein Blid zum Himmel fliegt. Aber wär's mit ihr nicht im Verein, Moͤcht' ih unten nicht, noch oben fein.

Sie jedoch, um die der Schmerz mich nagt, Kümmert's nit, wenn meine Lippe klagt: Und fo wurde meiner Mufe Schwung Melancholiſche Begeijterung.

1814.

Sp Haft du reiflich dir's eriwogen,

Und diefes tft das letzte Wort?

Dich lockt ein ferner Himmelsbogen,

Es treibt dich in die Fremde fort?

Doch wird geliebt, wer liebt und bleibet, Wer flieht, verkannt; und glaube mir, Wenn dich die Sehnſucht fürder treibet, So bleibt die Liebe hinter dir!

Und mag umwuchern dich das ſchoͤne Hesperien voll milder Au'n,

Wo ſindeſt du die deutſchen Töne? Wo findeſt dur die deutſchen Frau'n?

N

14

Am heine. 1815. Lebe wohl, alter Rhein, wohl, Wie oft erquickteft bu mid! Fließe heiter, fliege ſtill zu, Vielleicht auf immer laß ich dich, Lebe wohl, alter Rhein, du!

Eihenumfchattet faß ih oftmal

An deinem Ufer, o Rhein,

Ließ die Menfchen aus freier Wahl, Und lebte den Mufen allein,

Ihrer Heiligen Neunzahl. ,

Ausgefochten ift der Kampf nun, Wir feh'n als unfer dich an, Menden uns der Heimat zu,

Du aber flrömft zum Ozean, Ströme Hin, alter Rhein, du!

Die Najade. ; 1815. Die Duelle, die Felfen umfchließen, Ih fähe fie gerne’ entfieh'n: Sie wird nicht müde zu fließen, Ich werde fe mühe zu geh'n!

15

Bald rinnt über Steine fie helle, Bald dunkelt fie fehattenumringt, Fand’ ih die verſchwiegene Stelle, | Mo fie dem Granit entfpringt!

Da droht mich im Lauf zu flören Die Felswand, fehroff und nadt, Das wilde Geftrüppe der Foͤhren. Der wilde Katarakt.

Schon eil' ich zurück die Pfade, Da klingt mir's hell in’s Ohr; Die Stimme der ſchönen Najade Zönt unter der Welle hervor:

« „Dein Hares Hanbt befhauen Die fellgen Götter allein: Durdfpähe du fuchend die Auen, Den Wald und das öde Geſtein!“

1815. Duften nicht die Laubengänge? Hoͤr' ich nicht die Wipfel fäufeln, Linde Diaienwinde Fräufeln Den umbüfchten fiillen Rhein; Daß mich nicht der Mittag fenge, Winken mir verſtohl'ne Schatten, Rofenhage, Beilchenmatten, Aber ah, ih Bin allein!

mn.

Der König fibt auf feinem Throne bang,

*

16

Unterm blatigewebten Teppich

Hör! ih Nachtigallen fehlagen, . Und die leichtern Echo tragen

Ihre Töne duch den Hain;

Laͤngs der Eiche behnt ſich Eppich, Waſſernymphen lockt die Quelle, Wo mit Welle liſpelt Welle,

Aber ach, ich bin allein.

mn.

Saul und David. 1816.

/

Er winkt den Sohn des Sfat zu rufen: Komm, Knabe, komm mit deinem Harfenflaug' Und jener läßt fih nieder auf den Stufen.

Der Herr iſt groß! ‚beginnt er feierlich, Gefchöpfe fpiegeln ihres Schöpfere Wonne; Der Morgen graut, die Wolfen theilen ſich, Und wandelnd fingt ihr Hohes Lied die Sonne.

Die fehwere Krone löfe dir vom Haubt,

Und tret' Hinaus in reine Gotteslüfte!

Die Lilie prangt, ber Buſch ift neubelaubt, Die Reben blühen und verſchwenden Düfte.

17

Zwar bin ih nur ein ſchlichter Hirtenfohn .

Doch fühl! ih bis zum Hininel mid erhoben: Mas mußt du fühlen, König, auf dem Thron, Mie muß dein Herz den Gott der Väter loben!

Doch deine Wimper neigft du thränenfchwer , Dat fie des Auges fhönen Glanz verhehle Wie groß ift Jehovah! o bEid’ umher! Und welche Ruhe füllt die. ganze Seele!

So laß dein Herz an Gott, fo laß dein Ohr

An meiner Töne Harmonie fid, Taben!

Allein der König fpringt in Wut empor,

Und wirft den Spieß nach dem erfchrodnen Knaben.

Einladung an einen Zreund. 1818.

Lang ſchon auf die Folter fpannten

Dich die alten Folianten,

Laß nun dieſe magre Koſt;

Greift man nicht, des Wechſels pflegend, Den Lukrez bei Seite legend,

Gerne nach dem Arioſt?

O fo fliege, flücte ſchnelle Weich' aus deiner dumpfen Zelle Platen, ſammtl. Werke. I. 2

*

16

Unterm blatigewebten Teppich

Hör! ih Nachtigallen ſchlagen,. Und die leichtern Echo tragen

Ihre Toͤne durch den Hain;

Laͤngs ber Eiche dehnt ſich Eypich, Waſſernymphen lockt die Quelle, Wo mit Welle liſpelt Welle,

Aber ach, ich bin allein.

Saul und David. 1816.

: 7 Der König fibt auf feinem Throne bang, Er winkt den Sohn des Iſai zu rufen: Komm, Knabe, komm mit deinem Harfenflaug' Und jener läßt fi nieder auf den Stufen.

Der Herr iſt groß! ‚beginnt er feierlich, Geſchöpfe fpiegeln ihres Schöpfers Wonne; Der Morgen graut, die Wolfen theilen fi, Und wandelnd fingt ihr Hohes Lied die Sonne.

Die ſchwexe Krone löfe dir vom Haube, Und tret' hinaus in reine Gotteslüfte!

Die Lilie prangt, ber Buſch ift neubelaubt, Die Reben blühen und verfchwenden Düfte.

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17

Zwar bin ih nur ein ſchlichter Hirtenfohn .

Doch fühl’ ih His zum Hininel mich erhoben: Was mußt du fühlen, König, auf dem Thron, Wie muß dein Herz den Gott der Bäter loben!

Daß fie des Auges fehönen Glanz verhehle Wie groß ift Jehovah! o blick' umher! Und welde Ruhe füllt die. ganze Seele!

So laß dein Herz an Gott, fo laß dein Ohr An meiner Töne Harmonie fid) laben!

Doch deine Wimper neigſt du thränenfchiwer , Allein der König fpringt in Wut empor,

Und wirft den Spieß nach dem erſchrocknen Knaben.

——

1816.

Lang ſchon auf die Folter ſpannten

Dich die alten Folianten,

Laß nun dieſe magre Koſt;

Greift man nicht, des Wechſels pflegend, Den Lukrez bei Seite legend,

Gerne nach dem Arioſt?

O fo fliege, flüchte ſchnelle Weich' aus deiner dumpfen Zelle Platéen, ſammtl. Werke I. 2

Einladung an einen Freund.

18

-

Hin, wo Luft und Duft did weckt; Laß uns mit erfrifchtem Mute Wandeln, Freund, vom Mufchelhute Unfre Schlaͤfe leicht bededt.

Willſt du durch der Freiheit Eben, Wo die Berge zeugenb reden, ' Nicht ein froher Pilger geh’n? Dort, wo feine Dränger haufen, Wo die Ströme freier braufen, Wo die Lüfte reiner weh'n?

1816.

Hier no an des Gotthardts alten Seen, Wo die rauhen Gletſcherlüfte wehen, Mahn' ich mich an unfer Wieberfehen.

Sitzend einfam am entlegnen Herte Den! ich dein mit fehnlicher Geberde, Abgetrennt von ber bewohntern Erbe.

Es erfpäht ein Wandrer in ber Ferne Der Erinnerung blaſſe Nebelfterne, Und ber Thorheit felbft gebenft er gerne.

Leit, wie Schnee auf diefen Felſenlagen, Leit, wie Schaum, den hier die Ströme ſchlagen, Schmilzt das Glück, und Jeder muß entfagen.

19

Traum ift alles Irdiſchen Erſcheinung, Wahn ift jede liebende Bereinung, Und was Wahrheit wir genannt, ift Meinung.

1816. Dann des Gottes letzter, milder Schimmer fi) vom See verlor, Steigen mir Gedaͤchtnißbilder Aus der Welle Naht empor:

Malen mir des Kahnes Schwanken

Den gefurchten Pfad entlang,

Als die Morgenlüfte tranten h s Zauberifchen Lieberflang.

Malen mir, von Berges Kuppe

Schweifend, den ergößten Sinn,

Und die ländlich fchöne Gruppe n Um den Herd der Sennerin.

Malen mir die Yelögehege,

Wo die Alpenroſe hangt,

Welche nicht duch Menfchenpflege In des Thales Gärten prangt.

Naͤchtlich fühl ih jeht ein Bangen,

Wann der See gehoben wallt,

Jene Tage find vergangen, En Sene Stimmen find verhallt.

18

-

Hin, wo Luft und Duft dich weckt; Laß uns mit erfrifhtem Mute Mandeln, Freund, vom Mufchelhute Unſre Schläfe leicht bedeckt.

WIR du durch der. Freiheit Eben, Mo die Berge zeugend reden, ' Nicht ein froher Pilger geh'n? Dort, wo feine Dränger haufen, Mo die Ströme freier braufen, Wo die Lüfte reiner weh'n?

1816.

Hier no an des Gotthardts alten Seen, Mo die rauhen Sletfcherlüfte wehen, Wahn’ ih mid an unfer Wieberfehen.

Sitzend einfam am entlegnen Herde Denk' ich dein mit ſehnlicher Geberde, Abgetrennt von der bewohntern Erde.

Es erſpaͤht ein Wandrer in der Ferne Der Erinnerung blaſſe Nebelſterne, Und der Thorheit ſelbſt gedenkt er gerne.

Leicht, wie Schnee auf dieſen Felſenlagen, Leicht, wie Schaum, den hier die Ströme ſchlagen, Schmilzt das Glück, und Jeder muß entfagen.

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Traum iſt alles Irdiſchen Erſcheinung, Wahn iſt jede liebende Vereinung, Und was Wahrheit wir genannt, iſt Meinung.

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1816. Wann des Gottes letzter, milder Schimmer ſich vom See verlor, Steigen mir Gedaͤchtnißbilder Aus der Welle Nacht empor:

Malen mir des Kahnes Schwanten

Den gefurdten Pfad entlang,

Als die Morgenlüfte tranken $ Zauberifhen Liederklang.

Malen mir, von Berges Kuppe

Schweifend, den ergoͤtzten Sinn,

Und die ländlich ſchoͤne Gruppe n Um den Herb der Sennerfn.

Malen mir die Yeldgehege,

Wo die Alpenrofe hangt,

Welche nicht durch Menfchenpflege In des Thales Gärten prangt.

Naͤchtlich fühl’ ich jebt ein Bangen,

Wann der See gehoben wallt,

Jene Tage find vergangen, B Jene Stimmen find verhallt.

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[1

20 Froſtige Nebel fleigen, welche Berg und Kuppe trüb umziehn,

Und die roten Alpentelche Merden mit dem Sommer fliehn.

Bald, verjagt von Sturm und Flocken, Sieht die Hirtin froh ins Thal,

Und es tönt der Hall der Glocken

Bon der Höh’ zum lebten Mal.

Am Bodenſee. 1816. Schwelle die Segel, günftiger Wind! Trage mein Schiff an das Ufer der Ferne; Scheiden muß ich, fo ſcheid' ih gerne, Schwelle die Segel, günftiger Wind!

Schwelle die Segel, günftiger Wind!

- Daß ih den Boden, den heimifchen fchaue,

Fahre du wohl, Helvetiens Aue,

Schwelle die Segel, günftiger Wind! | Schwelle die Segel, günftiger Wind! Wenn ich auch hier in Entzüden verweile, Drüben fnüpfen mich liebenve Seile, Schwelle die Segel, günftiger Wind!

A 1816.

Miederlehrend nach dem Baterlande Hofft' Ih deine Lilienhand zu drüden, Traut’re Bande

Würden uns, fo hofft’ ich, dann beglüden,

MWiederkehrend nach dem Baterlande.

Mehe mir, du biſt vorangegangen

Nach viel befi'vem DBaterland, o Theure! Welch Berlangen,

Daß auch ich bald meinen Nahen fleure Nah viel beſſ'rem Vaterland, o Theure!

es

——

SHSeimkehr. 1817.

Ein Mädchen, roſenrot und jung, Bergönnte meine Huldigung,

Doch wo der Treue Schwur verhallt, Was gilt fo viele Wohlgeftalt?

Es trieb mich ruhlos Nachts hinaus, Ich ſchlich um ihr geliebtes Haus; Mit fchlanfen Pappeln war's beſetzt, Da ſaß ich oft, da faß ich jegt.

Doch fieh, ein Knabe fchleicht heran, Und an ihre Pförtchen Flopft er an;

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22

Weh mir! Sie ruft ihm: Biſt du hier? ‚Ste ruft's und «öffnet, wehe mir!

So hatt’ ich, dieß zu ſeh'n, gewacht! Bon dannen zog ich felbe Nacht,

Ich z0g durch Städt’ und Wälder wild, Begleitet vom geliebten Bild.

Wohl bot, gebreht aus blondem Haar, Manch Mädchen einen Ring mir dar; Mich hielt fein Ring, mich Hielt fein Drt, Es trieb mich ohne Weile fort.

So wandert’ ih wohl lang und weit, Do ohne Glück und Freudigkeit, Der Trieb zur Heimat überwand,

- 35 kam zurüd ins Vaterland.

Ich wußte faum wie mir geſchah, Als id das Stäbdtlein wieder fah; Die Morgenfonne flieg empor, Ich feste mich ans offne Thor.

Da rief ein Mütterhen mid an: Was fehlt dir, armer fremder Mann? Ih fragte raſch: O thut mir kund, Wie gieng's der ſchoͤnen Roſamund?

Erſt tauſchte ſte den goldnen Ring Dieß Wort mir durch die Seele gieng.

23

Run iſt's im dritten Jahre ſchon s Da fland ich auf, und oh davon.

Ich hörte nicht mehr, was fle ſprach: Allein fle gieng mir emflg nad), Ich aber rief: Im dritten Jahr Permählt, die meine Liche war!

Die Alte faßte mih.am Kleid, Gerührt von meinem Herzeleid:

Er, den erwählte Rofamund,

Eniwih und ſchloß wohl andern Bund.

So mußte fie denn lang allein Mit allem ihrem Sammer fein, Und er, von bem fie Wittwe blieb, Bar ihr in allem Sammer Lich.

Ein Freier, ach! zuletzt erfcheint, Der's reblicher, als jener, meint, Und reicht' ihr bie gewünfcdhte Hand, Und 308 ihr an das Brautgewand.

Da flrömte meiner Thränen Quell, Und von der Alten ſchied ich ſchnell, Und hoͤrte nicht mehr, was fie ſprach, Allein fie gieng mir emfig nad.

D Leiden, rief ich, ohne Zahl, i Vermaͤhlt if fle zum zweitenmal:

24

Vom Brautkleid feh' ich fie umbebt, Mit Silber und mit Gold durchwebt.

Doch Jene nimmt das Wort und fpridt: Den Bräutigam noch kennſt du nit, An Silber nit, an Golde reich, | Ihr Brautgewand ift weiß und bleich.

Ihr Bräutigam if ja der Tod, . Der ihr die treuen Hände bot!

Die Alte fpricht dieß ernfte Wort,

Und ihrer Wege wanft fie fort.

Fiſcherknabe. 1817.

Des Abendſterns erſehnter Schein Beglänzt den Saum der Flut, Der Knabe zieht den Kahn herein, Der ſtill im Hafen ruht.

Mein Tagewerk iſt treu vollbracht, Doch, liebe Seele, ſprich, O ſprich, wie ſoll die lange Nacht Vergeh'n mir ohne dich?

Am Ufer ſteht ein Weidenbaum,

Und dran gelehnt ein Stein,

Und drunter liegt im ſchmalen Raum Ihr kaltes Totenbein.

- .

25

Matrofenlied. 1817.

Wann wird der golbne Freubentag erfcheinen, Den das Geſchick mir aufbewahrt,

Der Tag des Wiederfehens bei den Meinen, Nah allzulanger Fahrt?

O ſchoͤne Flur, wo unfre müden Kähne Dereinft noch landen mögen unverfehrt!

D Mädchen, das vielleicht mit einer Thräne Den armen Flüchtling ehrt!

Denkſt du der heil'gen Eide noch im Stillen, Und. hielii du, Theure, das beſchworne Wort? Ah, trieb nicht feindlih damals, wider Willen Ein bö8 Geſchick mich fort?

Doch werben, glaub’ mir, wir uns wieberfehen, Und harrſt du fehnfuchtsvoll am Strande mein, So konnen's, Theure, ſiehſt du Wimpel wehen, Nur meine Wimpel fein!

41817.

Durdftreif' ih den Laubhain moofgfühl,

Und ſchlaf' ich an filbernen Bächen, Da wächst mir im Buſen ein ftilles Gefühl; Bermöcht' ich es auszufprechen!

26 Und feh’ ich mein ſchwebendes Bild in der Flut, Und zittern die Wipfel ber Buchen,

Da regt ſich dunkel nur fehnende Blut, . Und immer vergebliches Suden.

ı

Wie nenn’ ich's, was in das Herz mir fchleicht, Nuhftörend und facht, wie Diebe?

Sehnfuht nah fremden Gefllden vielleicht! Vielleicht nach heimifcher Liebe! ?

1817.

Lockt es nicht auch dich ins Weite,

Wo kein Zwang das Herz entfiellt?

Wandern möcht ich dir zur Seite, f Hin und wieder, durch die Welt!

Mann der Froft gemach entflohen, . *. Der bie leichte Flocke freut,

Sudten wir, die Wanderfrohen,

Was der Horen jüngfte beut:

Jedes Blümchen weicher Matten, Jeder Duelle zarten Schaum, Und wollüflig duft'ge Schatten Unter jedem Lindenbaum.

Saͤh'n dann, wie an wald’gen Klüften Kühn behende fpieli das Reh,

27

Wie der Vogel fpielt in Lüften, Und der goldne Fifh im See.

Nah. dem Süben fortgezogen. Schweiften wir befeligt Hin, Wo der Tafjo fhlingt die Wogen Durch Gebüfche von Sasmin.

Wo, fobald Rodrigo nahte Seiner Dame mit Gefang,

Bor dem Fenfter die Granate Bitterte beim Sitherflang.

1817.

Durfte mi ein Gott bethören, Abzuſchwoͤren | Die Magie geliebter Züge?

D vergib, wenn fremde Schlingen Mich umfingen,

Weil ich doch dich nicht betrüge.

Was auch unfer Schwur verfpredhe,. Melde Schwäche

Wird der armen Schwüre Meifter! Bei dir am gewohnten Orte

Sind die Worte,

Doch bei Iener find die Geifter.

28

Wenn der Gott der vofenroten

Liebesknoten

Doch nicht ſolche Spiele triebe! Drei gewahr' ich hintergangen

Vom Verlangen,

Herzen ohne Gegenliebe.

te u Fe

1817.

Der Schäferfnabe horcht des Baches Rauſchen,

Der Bach dem Baume, dem die Zweige wallen,

So feint der Baum nun au dem Ton zu laufen, Den tief im Laub anſtimmten Nachtigallen,

Die wieder wechfelnd ihre Lieder taufchen;

Doch alle Töne feinen zu verhallen,

Wenn fie empor zu deinem Ohre dringen,

Ja, du verſcheuchſt fie, eh fie noch erklingen.

D dürft’ ih einmal vor dein Antlitz treten, Vielleicht erweicht dich ein verliebter Junge:

Der Bildner Hat den Marmorblod erbeten, Brunhildens Hochſinn bog der Nibelunge:

Mir wiffen füß zu ſchwatzen, wir Boeten,

Und Ueberredung liegt uns auf der Zunge; e Dürft' ih dir einmal meine Not nur flagen,

Du würbeft „liebe Seele” zu mir fagen.

29

1817. Fahre wohl! Dich wiederfehen Werd' ich weder dort noch hier,

Aber darf ich's noch geſtehen, Daß ich liebte? Goͤnn' es mir!

Daß mid nichts mehr Fröhlich machte, Mas mid) chedem beglüdt,

Keine Blume mehr mir lachte, Kein Gedicht mi mehr entzüdt.

Weh' mir! deinen ſtolzen Willen

Rührte nie die fremde Pein;

Aber bebft du nicht im Stillen, Gar fo fehr geliebt zu fein?

1817.

Schlummer, deine fel’ge Macht Hatt’ ih lang verfannt,

Dich genoß ich jede Nacht, Nie von Dank entbrannt.

Doch die Sehnſucht kenn' ich jebt, Die auch dich vergaͤllt,

Die das Auge wach benekt,

Die das Auge ſchwellt.

30 Wundervoll feit jener Zeit Sankſt du im Gewicht:

Ein Moment Bergefienheit, Wie viel gilt er nicht!

Flucht der Jugend.

1817.

Mas lehnſt du dich voll Traurigkeit An diefen Blütenbaum?

Ich den? an meine Blütezeit,

An meinen Jugendtraum.

Der Jüngling ift zum Mann gereift, Drob zagt des Mannes Bruft?

Sind erfi die Blüten abgeflreift, Erſchlafft des Lebens Luft.

Du ſchlürfeſt aus der Wahrheit Quell, Dem beften Forfcher gleich!

Dod nimmer firalt mir fonnenhel Der Liebe

1817. Heut ift neu ber Tag erflanden, Wo dem blonden Jeſuskinde Dargebracht ihr Angebinde Seher aus,den Morgenlanden.

31

Do du wirft, wiewohl ich's waͤhne, Meine Gaben nit empfangen: Einen Gruß und ein Berlangen, Finen Bers und eine Thräne.

\ 1818.

Bon Magiern heißt es und von andern Weiſen, Daß aus der Erde fie Geſtorbne weden,

Die Geifter zieh'n aus ihren Iuftigen Kreifen, Durch mächtige Formel, fie berufend, fhreden;

D Könnt ich nur die Lebende beſchwoͤren, Vom fernen Orte würde fe entboten.

Die Lebende? Du kannſt mich nicht erhören, Wie du mir lebſt, fo leben mir die Toten'-

1818.

Noch im welluftvollen Mai des Lebens, Wo die Seele fonft Entfchlüfle ſprüht, Kühl’ ih in der Wärme meines Strebens, Wie mein Lebenselement verglüht.

Nicht ein Windſtoß, ein belebend warmer, Meine Haare Eräufelnd, weht mid an; Leer und träge fchlfft ein Thatenarmer Nebern ftillen Bater Ocean. °

32

Was ih fell? Wer Löft mir je die Frage? Was ih kann? Wer gönnt mir den Verſuch? Mas ih muß? Vermag ich's ohne Klage? Sp viel Arbeit um ein Leichentuch?

i ! Kommt und lifyelt Mut ins Herz mir, zarte Liederſtimmen, die ihr lange fhlieft,

Daß ich, wie ein Traͤumer, nicht entarte, In verlorne Neigungen vertieft.

1818.

Mag der Wind im Segel Beben, Steuernd nach dem Land der Pracht, Wo der Freiheit ſtolzes Leben Zwischen Palmen aufgewacht.

Der erhigte Wahn der Jugend, Der das Glück ſich fern. verheißt, Teiche deiner frengern Tugend, Weiche deinem größern Geifl!

Soll der letzte Stern erbleichen An bes deutſchen Himmels Rand, O fo deren unfre Reichen

Das verlorne Vaterland!

33

4818.

Willſt du lauen Nether trinken Auf dem Hohen Götterpferbe ? Wie Belleropkon zur Erde Bebſt du nicht zurüd zu finten?

Daß ſich nicht dein Herz verbiute, Wiſſe deinem Trieb zu feuern; Sei wie Flaceus auf dem theuern Einzigen Sabinergute!

BiR du nicht gewohnt vor Allen, Als der Cinſamkeit Geweihter, Ohne Fußpfad und Begleiter Dur den flillen Fort zu wallen?

Dir genüge, wenn die Föhren, Die den Schuß der Wolken fuchen, Menn die dickbelaubten Buchen Deine fanften Lieder hören!

Wiefenblumen pflüd' und ichweige, Pflück und blide nicht nach oben, Denn für did find nicht gewoben

Jene dunfeln Lorberzweige.

Blaten, jänmmtl. Werte 1.

34

1818.

Sie trug ein Band in Haaren, Das flatterte durch die Luft, Am Bufen barg fie Rofen, Die fpendeten würzigen Duft.

Vom Buſen gib mir die Rofen, Ober gib mir das Band im Haar, Oder gib mir die Haare felber, Oder gib mir den Bufen gar!

Dom Bande fliht mir Feſſeln, Don Rofen den bräutlihen Kranz, Ein Ringlein winde von Haaren, Aber ſchenke dein Herz mir ganz.

1818.

Mas ifl’s, das jedem Lindenblatt entjänfelt,

v Wie einer Dryas leifes Ach? Wehſt du im Wind, der mir bie Locken fräufelt? Strömft du im Silberbach?

Wohnſt du mit mir in diefes Parkes Mitte! Beſeelſt du die Natur? Erblickt ein Liebender in jedem Tritte Nur die geliebte Spur?

2

35

Sa, du nur lebſt im Hain, tim Bad, im Winde, Die zu befänft'gen bu vermagft,

Denn alles Iegt um mich fi, wie du Finde

Mir fonft am Bufen lagſt.

1815. Merden je fi feinde Töne Fügen im verbundnen Klange? Ich mit meinem büftern Drange, Du in beiner Jugendſchöne? Heiter ſchlürfſt du leichte Stunden, Dem es nie vergebens tagte: Ih erfehne das Berfagte, Und beweine, was verſchwunden.

Du, zu deines Mäbchens Laren Kommft du naͤchtlich oft gegangen, Schmiegft dih an die zarten Wangen, Wuͤhlſt in ihren ſeidnen Haaren: Mährend ich, der im Gemüte

Auf den Wink der Gunft verzichtet, Bücher vor mir aufgeichichtet,

Ueberm Rau der Lampe brüte.

Freund, e8 war ein eitles Waͤhnen, Daß fih unfre Geifter fänden,

Unſre Blicke fi verftänden,

Sich vermifchten unfre Thränen:

4 36 Laß mich denn allein, verfäume Nicht um mich die goldnen Tage, Kehre wieder zum' Gelage,

Und vergiß den Mann der Träume!

1818.

Würde felbf die Welt zerirümmert, Nur der Ort nicht, wo ihr fteht, Ungerührt und unbefümmert

Säht ihr, wie fie untergeht.

Wollt ihr ewig läflig ſchweifen,

Müflig ohne feiten Mut?

Faßt den Keim und laßt ihn reifen. _ Der euch in der Seele ruht.

Lernt vor allen ird'ſchen Dingen,

Wer ihr feid und was ihr follt: Streben, wenn auch nit vollbringen, Eh der Vorhang niederrolit.

1818. Mer je fie trug im Herzen, Getäufhter Hoffnung mannichfadhe Schmerzen, Der leide, was ih litt, In eigenen Gefühlen mit:

-

37

Wohin mein Auge trifft

In diefer Schrift,

Sieht es, daß fie nichts faßt, Als jenen Namen, fo lieb und fo verhaßt.- Wird fle fchweigen, meine laute Klage, Dur fommende Lenzestage?

Werd” ich luſtwandeln frei

Unter Blüten und Blumen im Mai, Das theure Kind am Arm,

So fhön, fo gut, fo warm!

1818.

Scheiden löft mit gord'ſchem Hiebe,

Waͤren's auch demantne Bande,

Wer gedenkt im fremden Lande

Seiner erften Jugendliebe?

Stets verjüngten Traum entfpinne

Sih das Mädchen, fih der Knabe,

Denn wir leſen felbft am Grabe: Aus den Augen, aus dem Sinne!

Selig, die die Winde fireuen Geierfchnell nad Süd und Norden, Wie fie ſelbſt verlaſſen worden, Ließen fie die Ungetreuen:

Einſt doch aber herrſchte drinne, Was ſie ſich dem Sinn entſchlagen;

38

Könnteft du doch von mir fagen: Aus den Augen, aus dem Sinne!

Wenn auch deine Falten Blide

Nie an meinem Blick erwarmen, Menn ich nie mit fchlanfen Armen Mih um deinen Naden flride:

Ewig foll diefelbe Minne

Durch die Welt mich führen, Pſyche, Denn für mid find’s Widerſprüche: Aus den Augen, aus dem Sinne.

Trioelet. 1818.

Und mußteſt du verſchwinden

So ſchnell als ich dich fand?

Wie vor Novemberwinden

Die letzten Blümchen ſchwinden Noch wähn' ich zu empfinden

Den linden Druck der Hand!

Und mußteſt du verſchwinden

So ſchnell als ich dich fand?

—w

.

39

1818. Träume, bie behende fliegen, Wenn der Stern der Venus ſchwand, Machten mich gewiß, zu flegen, Weil ich deinen Sieg geftand.

Ein verwegner Dünkel fchwellte Diefes liebetrunkne Herz,

Deine Strenge, deine Kälte

Rief in mi zurüd den Schmerz.

Mel ih eitlem Wert vertraute, log ih ohne Schen bir zu,

Du verfhmähteft Herz und Laute, '

Und veraͤchtlich lächelſt du.

Sei's daß vor der Charitinnen Richterthron ich nicht befteh, Aber meine Verſe rinnen

Wie Gewog im Silberfee.

1818.

Wenn ich auch verliebter Qualen, Schwärmerifhher Traum’ und Bilder Dich entwöhne, |

Sol dein Antlik doch mir ſtralen Gleich dem Widerglanze milder Engelſchoͤne.

40

Laß mich für das Hoͤchſte, Meine, Wenn au ird'ſche Wünſche flohen, Kühn erwarmen !

War ich's wert zu fein ber Deine? Götter mögen di, Heroen

Dich umarmen!

1818. Die alte Glut, was fann fie frommen, Die wieder durch mein Herz ſich gießt? Warum nod immer fo beflommen, Wenn du die theuren Züge fiehft?

Hat eine deiner heißen Klagen

Den harten Stolz auch je gebeugt? Du bift geboren zu entfagen,

Zum Güde bift du nicht gezeugt. Erſtickte Sehnſucht regt fich wieder, So fei ein Mann denn und entflieh! Was fol der Nachklang fehöner Lieder Dem Herzen ohne Harmonie?

22 ··—

1818. Fühlſt du, wie die Winde koſen? Hörft du, wie die Quelle fprüht? Siehft du? wie's im Aether blüht? Eind es Sterne, find es Rofen?

41

Seht, da durch die naͤcht'ge Hülle

Liebesgötter weichlich nahten,

Lispelt aus den Serenaden Phantafieberaufähte Fülle.

Sollen fruhtlos Tage, Wochen, Srühlinge fogar mit linden Wuͤrzigen Gerüchen ſchwinden, Eh du mir ein Wort geſprochen?

Maͤchtig, wie dein Auge blendet, Lockt die weichlich zarte Blüte Dieſer Wangen, lockt die Güte, Welche jeden Zug vollendet.

Deinen Raͤtſelblick zergliedern, Koͤnnt' ich's, doch vergeb'ne Muͤhe! Ahnſt du nicht, wie ſehr ich glühe, Oder willſt du's nicht erwiedern?

1818.

Was wirfſt du ſchlau mir Netze,

Triumph im Angefſicht? Gefallſucht Ienft das Herz dir, Die Liebe lenkt es nicht.

Nie hielt ich dir's verborgen, Mie mid dein Zauber band,

42

Hoͤr' mich auch jeht: Ich liebte; Der furze Wahn verſchwand.

O wärft du treu gewefen, Auf ewig Wärft du mein, Do eitler Glanz der Schönheit Beſtrickt mich nicht allein.

Erfpäh’ dir andre Beute Sm lärmenden Gewühl, Denn diefes Aug’ tft troden, Denn dieſes Herz Hit fühl.

Parſenlied. 1819.

Wenn des Leichtfinns Motte Die Natur entftellt, Huld’ge du dem Gotte Durch die ganze Welt.

Hin zur Blume trete, Doch zerknick' fie nie, Schau fie an und bete: Mär’ ich fhön, wie fie!

In kryſtall'ne Quellen Schleudre keinen Stein, Bete zu den Wellen: Mär’ auch ih fo rein!

—z

43

Ueberall dir guͤnſtig Weht ein Gott bir zu, Darum liebebrünftig Handle, wandle du.

. nn.

1819.

Ich pflückte die weißen Blüten

Hoch am Baum des Lebens;

Bald verweht von nordiſcher Luft, Dürfen fie nicht fih bilden und reifen, Aber blühten

Sie drum vergebens,

Die durch frifchen Glanz und Duft Jeden Sinn ergreifen?

1819.

Euch, Heine Wellen, ſeh' ich ſtaͤuben Den Feld hinab im rafıhen Lauf, Ihr fucht den Kummer zu betäuben, Und regt ihn um fo tiefer auf.

So rührten meine Lieberflagen, Zwar nicht mit Willen, deine Bruft, Sie follten dir den Schmerz verjagen, Sie machten bir ihn neubewußt.

44

1819. Mir hielt der Tag den Spiegel vor's Geſicht, Und wie Rinald, gewahrt’ ich mich vol Schaum Jasminumgürtet, fhwertumgürtet nicht; Den golönen Infelhain, aus den: ich fan, Sah ih mit Lächeln zwar, doch auch nicht ohne Bram.

Ein Andrer fliege, den bie Jugend wert,

Armiden zu mit unbefangnem Sinn,

Weil ihm die Knospe noch den Mur ın verftedt;

Er träume denn, ihm ift ein Traum Gewinn, Wem noch der Flaum befät das weiche blonde Kinn.

1819. Enthuͤllt fich jährlich weit und weit Die Maienzeit Mit Iuft'gem Vogelſchalle, Mit reger Sonnenglut, Mie feuert uns Alle Lebendiger Mut!

Doch jeh'n wir ihn entblättert ganz, Den Sommerlranz,

Dann fragen wir in Sorgen, Mofür wir uns gefreut?

Nie wurde das Morgen

Gewandelt in Heut!

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45

1819. Bergällend Tonnteft bu verfüßen, Mir alles, was mein Sinn erfor,

Wie wand ich mich zu deinen Füßen, Und weinte mich zu dir empor!

Dein Buſen öffnet fih zu lieben,

Doch ah! du winkt mich nicht zurüd;

Was mid zu dir, von bir getrieben, „&s if fein Web, es ift fein Glüd.

Warnung. 1819.

Scheint dir der Pfad, auf dem bu gehft, fo ficher, Und will du noch einmal, o Jugendlicher, Uneingedenk verfehuldeter Gefahren,

Die Züge fehn, die dir fo tötlich waren?

Darfft du fo feft auf deine Seele bauen,

Und wähnft du mit Befonnenheit zu ſchauen Der fhwarzen Augen, die dir Sterne deudhten, Bedeutungsvolles, dunfeltiefes Leuchten? -

Nein! Laß die Wunde Tieber fih vernarben, Entfchliege dich zu meiden und zu darben, Und vor bir felbft fogar, o Herz, verhülfe Den ganzen Reihthum deiner Liebesfüle!

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46

1819. Ich bin ein Waflertropfen, Berfchlofien im Kryſtalle: Will Keiner ihn zerklopfen, Daß ich ihm frei entwalle?

Nur durch das Glas beſchauen Kann ich der Blumen eine: O dürft’ ich auf ſie thauen Im Morgenſonnenſcheine

1819. Sei getroſt und lächle wieder, Was du traͤgſt, o trag's gefaßt! Konnteſt du doch nicht verlieren Was du nie beſeſſen haſt.

Jeden, glaub's, bewaͤlt'gen Schmerzen, Aber, was das Herz ihm bricht, Stirbt dahin mit jedem Herzen,

Nur mit eines Dichters nicht.

F 1819. Die Liebe hat gelogen, Die Sorge laftet ſchwer, Beirogen, ad, betrogen Hat alles mid umher!

47

Es rinnen helle Tropfen

Die Wange ftetö herab, j Laß ab, laß ab zu Elopfen,

Laß ab, mein Herz, laß ab!

1819.

Wie Einer, der im Traume liegt, Verſank ih ſtill und laß,

Mir war's, als haͤtt' ich obgefiegt, Bezwungen Lieb’ und: Haß.

Doch fühl ich, daß zu jeder Frift Das Herz fi quält und bangt,

Und daß es nur gebrochen ift,

Anftatt zur Ruh’ gelangt.

Du haft zerftüdt mit Unbedacht

Den Spiegel bir, o Thor!

Nun blickt der Schmerz verhundertfacht, ' Vertauſendfacht hervor.

4819. Du ſcheuſt mit mir allein zu fein, ; Du bift fo ſchroff: R Gibt nicht der Liebe Luft und Bein Zum Reden Stoff?

48

Mo nicht, was gilt der Lieb’ ein Wo, Ein Wie, ein Bas? |

Zu lieben und zu ſchweigen, o

Wie lieb' ih Das!

Ich ſchweige, weil fo kalt du fheinft, Und unerweicht,

Mein Auge ſpricht, es ſpricht be Mein Kuß vielleicht.

1819.

Was gilt die Scheidewand

Von Hoch und von Geringe? Was kümmert mid) dein Stand,

Wenn ich mein Herz dir bringe?

Was kümmert mich dein Stand,

Wenn ich von Liebe, Liebe,

Bon meiner Liebe finge?

Noch ift dein Bild mir new,

Und foll dich ſchon vermiſſen? Du blickſt beforgt und ſcheu, Sp vornehm mid zu wiſſen; Du blickſt beforgt und ſcheu, Mir wird von Liebe, Liebe,

Bon Liebe das Herz zerrifien!

un —zæ—

49

Sönig Odo. 1819. Aus dem Kloſter Hallen Glocken, Taufend Lichter funfeln helle,

Die den Zug ber Beter loden Nah der hohen Kirchenfchwelle.

- König Odo kommt gefahren,

Hört vom alten Thurm Geläute, Und er fragt die frommen Schaaren:

Aber welch ein Feſt ift Heute?

Sie erwiebern drauf und fagen: ine Jungfrau nimmt den Schleier, König Odo fpringt vom Magen, Tritt hinein und fohaut die Feier.

Um den heiligen Brauch zu wehren, Ruft er aus am Hochaltare:

Keine Scheere foll verfehren

Diefe langen, blonden Haare!

Veber dieſe feuchten Blicke

Möge nie ein Schleier fallen, Und fein härnes Kleid erftide Diefer Bruft gelindes Wallen.

Blaten, ſammtl. Werte 1.

5

d

50

Neißend vom Altar die Reine, Trat er nun hervor und tobte: Chriftus werde nie ber Deine, König Odo's Anverlobte!

Srevelvoll und voll von Wonne, Selig im erbotnen Taufe, Meigt fi die bethörte Nonne Seinem ſchoͤnen Liebesraufce.

Als die Nacht begann zu ſchauern Um die Stunde ber Gefpenfter Sitterten des Schlofies Mauern, Und es flogen auf die Fenſter.

Bebend fah'n empor die Gatten, Und ans goldne Lager Beider

Treat ein weißer Zug ven Schatten, Angethan in Nonnenkleider.

Alle hielten rote Kerzen,

Welche blau und büfter flammiten, Und die junge Braut von Herzen Riſſen fie dem Gottverdammten.

Hülfe ruft er, greift verwegen Sur gefhliffnen Wehr im Grimme; Aber ihm verfagt der Degen, Aber ihm verfagt die Stinme.

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Und das Mädchen zieh'n am Haare Sene fort, das arme, bleiche, Legen dann auf eine Bahre

Die Iebend’ge fchöne Leiche.

Und der König folgte bange, Seiner Sinne Halb nur mächtig: Sn der Kirche Ceulengange Hielt der lange Zug bebädhtig.

An des Altars hoher Schwelle

Thut ein Grab fih auf mit Grauen, Ausgehöhlt, gefpenftig fchnelle,

Don den weißvermuimmten Frauen.

Mit Gewalt fein Weib zu Holen, Rafft fih auf im Wahn der Gatte; Aber unter feinen Sohlen

Dreht fi) jede Marmorplatte.

Und er fieht die fehönen Glieder Eingefargt in einem Schreine, Will Hinzu, doch immer wieder Schwanfen unter ihm die Steine.

Und der Schaufeln Ton verfiummet, Stille wird's im Gotteshanfe,

Nur die Glocke, wenn fie brummet, Unterbricht die tiefe Paufe,

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und das Dunkel weicht, die Sonne Hebt am Horizont fi feiler, Man entdeckt das Grab der Nonne,

Und den König tot am Pfeiler.

1819. Laß tief in dir mich leſen, Verhehl' auch dieß mir nicht, Mas für ein Zauberweſen Aus deiner Stimme firiht?

Sp viele Worte dringen An’s Ohr uns ohne Plan, Und während fie verflingen SH Alles abgethan.

Do drängt auch nur von ferne Dein Ton zu mir fi her, Behorch' ich ihn fo gerne, Vergeſſ' ih ihn fo ſchwer!

Ich bebe dann, entglimme

Bon allzurafher Glut:

Mein Herz und beine Stimme Verſteh'n ſich gar zu gut!

——

53

1819.

Einem jungen Manne gönnt ihr Allzuviel, ihr guten Frauen,

Könnt ihr diefem Lächeln, könnt ihr Diefem ruhigen Auge trauen? .

Slaubt ihr etwa, bag fein Bild mir, Kein geliebtes, allzutheures,

Je begegnet, um als Schild mir Nun zu dienen gegen eures?

Gefang der Toten. 1819.

Dich Wandersmann dort oben Beneiden wir fo fehr,

Du gehſt von Luft umwoben, Du hauchſt im Acthermeer.

Wir find zu Staub verwandelt In dumpfer Grüfte Schoos: O felig, wer noch wandelt, Wie preifen wir fein Loos!

Vom Sonnenftral umfchwärmet, Ergehft du dich im Licht, Doch was die Flächen wärmet, Die Tiefe wärmt es nicht.

54

Dir flimmert gleich Geſtirnen Der Blumen bunter Glanz, An unſern nackten Stirnen

Klebt ein verſtäubter Kranz.

Wir horchen, ach! wir lauſchen, Wo nie ein Schall ſich regt,

Dir klingt der Quell, es rauſchen Die Blätter ſturmbewegt.

Vom Hügel aus die Lande Vergnügt beſchauſt du dir, Doch unter ſeinem Sande, Du Guter, ſchlafen wir.

1819. Du mahnſt mich an ſchmerzliches Muͤſſen, An traurige Worte der Pflicht? Nur einmal noch will ich dich küſſen, Frühzeitiger mahne mich nicht! Mer konnte dir nahen und ſchiene Gelaſſen? betrachtete Falt Die Holde, die göttlihde Miene, Die göttliche Holde Geſtalt? Durchſpähe mein Leben, erfpähe, Ob firafbar ich je noch entglüht Do deine beraufchende Nähe Verſtrickte das junge Gemüt.

m.

55

1819.

Du ſprichſt, daß ich mich täufchte, Beſchwoͤrſt es hoch und hehr,

Ich weiß ja doch, du liebteſt, Allein du liebſt nicht mehr!

Dein ſchoͤnes Auge brannte, Die Küſſe brannten ſehr,

Du liebteſt mich, bekenn' es, Allein du liebſt nicht mehr!

Ich zähle nicht auf neue Getreue Wiederfehr:

Sefteh' nur, daß du licbteft, - Und liebe mich nicht mehr!

x

1819.

Befangen in verworrnem Streben Seh’ ih mit zährendunfelm Blick Zurüd auf mein gelebtes Leben, Auf Schuld nur und auf Mißgeſchick

Und fol der Jüngling ſtets fi irren? Und zeigt der Greis allein fi Flug? Mie kann fi diefer Kampf entwirren? Wann endet diefer Selbftbetrug?

_

96

Des Weifen Lehre Hört befliffen

Die Jugend an und regt fi viel, Do ohne Frucht iR all ihr Wiflen, Und all ihr Handeln ohne Biel.

1849.

Schenfteft du mir, Kind, Bertrauen, Möcht ich wohl durch goldne Thüren Did in einen Garten führen,

Gern beſucht und lieb den rauen.

Dögelchen durchzieh'n die Lüfte, Und die Seen blanfe Schwäne. Thau gerinnt ald Berlenthräne, Und Muſik verhaucht in Düfte.

Bunt am Bach ein Bab zu weben, Bauen Büfche Baldadhine,

Balfam bildend buhlt die Biene, Beet und Blatt und Blüte beben.

£oden dich die grünen Hallen Mit verwobnen Labyrinthen ? Mit Geruch die Hyacinthen, Und die Grotte mit Kryſtallen?

57

Die Totenhand, 1820.

Der Herr von Grammont ritt in's Schloß, Er ritt auf dunkelſchwarzem Pferd,

Sein Knappe fam und hielt das Roß, Und ſchnallt ihm ab das lange Schwert.

Dom Thurme fhlug es Mitternacht,

Als er hinan die Treppe fihritt,

Sein Weib vernimmt’s, fein Weib erwacht, Denn fhon im Saale raufcht fein Tritt.

Die Lampe nimmt fie, weil ihr graut, Sie. fieht ihn: Ha, bift du's? woher? Des Ritters Harniſch raflelt laut, Do Feine Sylbe redet er.

Darf löfen ih die Waffen bir?

Er dankt, indem er fill ſich neigt. Willſt du nit Iffnen dein Bifler? Sein Harniſch raflelt, Doch er ſchweigt. Sie heiſcht, daß er die Hand ihr beut, Dod ein Gerippe reiht er Hin Weh! dich erſchlug mein Buhle heut! Sie ruft's und finkt erblaßt auf ihn.

08

1820.

Dft, wenn wir lang im Dunkel fchweifen Durch eine tiefverhüllte Nacht,

Dann werben ung die Purpurftreifen Aurorens plößlih angefacht.

Verzweifle Keiner an den Wegen, Die das Verhängniß mächtig geht, Sie bringen uns dem Glüd entgegen, Das wunderbar am Ziele ſteht.

Und hat dich Mißgeſchick betroffen, Und hat di mancher Schmerz verlekt, Hör’ dennoh nimmer auf zu hoffen, Und die Erfüllung naht zuleßt.

Es quälen uns fo manche Plagen,

Eh’ uns der Götter Yunft beglüdt. Wir müflen manden Dorn ertragen, Eh' uns der Kranz der Freude ſchmückt.

Swar kommt Erhörung oft gefchritten Mit ihrer himmliſchen Gewalt,

Doch dann erft Hört fie unfre Bitten, Wenn unfre Bitten lang verhallt.

—— ——

59

Dernanifches Lied. 1820.

Du himmlifche Jungfrau, du, Du tränfit das dürre Peru, Du labſt mit dem ehernen Krug in der Hand Das lechzende Land; Allein dein Bruder, minder gut, Der Schlägt an dein Gefüg in Wut, Und durch den Simmel dringt der Klang, Und Funken ſprühn die Welt entlang.

———

1820.

Auf Gewäſſer, welche ruhen, Weil gebändiget vom Gife, gieht die Jugend leichte Kreife, Wandelnd auf den Flügelſchuhen.

Dod ich wandle, Breund, alleine, Freund, allein und nicht zum Biele: Der Geſtalten find fo viele,

Leider aber nicht die deine.

Hefte den Kothurn der Wogen An die leichten Hermesfüße, Daß begegnend bald dich grüße, Dem du dich fo lang entzogen!

60

Welch ein Glück, dahin zu ſchwinden Auf.der Fläche, Far und eben, Magiſch fich vorüberfchweben, Fliehn ſich und ſich wiederfinden:

Aber iſt es nicht vergebens?

Weilſt du nicht, was kann es frommen? Dieß unſtäte Gehn und Kommen

Iſt das wahre Bild des Lebens.

Hrn ne urn

1820. Ich ſchleich' umher Betrübt und ſtumm, Du fragſt, o frage Mich nicht, warum? Das Herz erſchüttert So manche Pein, Und koͤnnt' ich je Zu düfter fein? Der Baum verborrt, Der Duft vergeht, Die Blätter liegen So gelb im Beet, Es ftürmt ein Schauer Mit Macht herein, Und könnt’ ich je gu düfter fein?

61

1820. Erforſche mein Geheimniß nie, Du darfſt es nicht ergründen, Es fagte dir's die Sympathie, Wenn wir uns ganz verflünden.

Nicht jeder ird'ſche Geiſt erfennt

Sein eig’'nes Loos hienieden:

Nicht weiter frage, was uns trennt, Genug, wir find gefchieden!

Es fpornt mich ja nicht eitle Kraft, Mich am Geſchick zu proben:

Wir alle geben Rechenſchaft

Für unfern Ruf von oben.

Mas um mich ift, errät mich nicht, Und drängt und brüdt mid) nieder; Do, ſuch' ih Troft mir im Gedicht, Dann find’ ih ganz mich wieder!

1820. .

Zwiſchen Fichtenwaͤldern Und beſchneiten Feldern Seh ich die Winterſpuren Traurig um mich her. Seid ihr leer, o Fluren, Weil das Herz mir leer?

62

Diefe Rofendornen

An gefrornen Bornen Menn fle an Riefenbädhen Mieder in Knospen fteh'n, Dürft ih dann fie bredhen, Brechen, ah! für wen?

1820.

Da liegſt du nun im Grabe, Du ſchoͤnes, trautes Kind; Es weint ein liebender Knabe Durch Nacht und Wind.

Du kannteſt wohl ſein Sehnen, Und was dich von ihm ſchied, Drum durft' er es nicht erwähnen Sn Sang und Lieb.

Er folgte dem Gebote,

Dein Wille war ihm Pflicht; Doch daß er Befingt die Tote, Verſagſt du nicht.

63

Das Leben ein Traum. 1829.

Mas uns Troft und Mut fann geben, Um hienieden gern zu fäumen?

Daß wir leben, wenn wir träumen, Daß wir träumen, wenn wir leben.

Daß, fobald wir fchlummernd Liegen, Wir das eitle Selbft entbehren, Während uns aus andern Sphären Ahndungsvolle Träume wiegen.

Daß wir nach durchbüßten Strafen, Nah durchrungenen Befchwerden Hoffen dürfen, wach zu werben, Mo wir chmals eingefchlafen.

Laßt uns denn nad heil'gern Räumen Mutig und getröftet fireben,

Weil wir träumen, wenn wir leben, Weil wir leben, wenn wir träumen.

1820. Auf ewig fliehn die Scherze, Die junge, leichte Schaar, And mit verhaltnem Schmerze Nehm ich den Kranz vom Haar.

64

Die Lieder find verklungen, Der letzte Ton verſcholl Von jenen Huldigungen So glühend, ſehnſuchtsvoll.

Auf raſchen Zauberſchwingen Entwich mein letztes Glück, And alle Klagen bringen Nicht einen Kuß zurüd.

Ich wollte nicht mehr bange Mir Gegengunft erflehn, Ah, nur minutenlange Moͤcht ich dich wiederfehn!

Du wirft mir nicht erfheinen , Mir warb auch dieß verwehrt: Mer kann genug beweinen, Mas niemals wiederkehrt?

1820.

Wehe, fo will bu mich wieder, Hemmende Feflel, umfangen? Auf, und hinaus in die Luft! Ströme der Seele Verlangen, Ström’ es in braufende Lieber, Saugend ätherifhen Duft:

65

Strebe dem Wind nur entgegen, Daß er die Wange dir fühle, Grüße den Himmel mit Luft! Merden fi) bange Gefühle

Im Unermeßlihen regen?

Athme den Feind aus der Bruft!

1520. Es ziehen viel Geitalten An uns vorbei, fo lieb, Do fie zurüd zu halten Empfind’ ich feinen Trieb.

Zwar manden ſchoͤnen Blide Begegn’ ih noch mit Luft, Doch wohl mir, ich erflide Kein Ach mehr in der Brufl.

Nicht flatterfinnig wiegen Sie fih von Haus zu Haus, Nah fernen Landen fliegen Die lieben Seufzer aus.

Vergebens! ich erringe Mir nie, was ich erfor, Es lauſcht mir, wenn ih finge, Kein überrafchtes Chr. Platen fammtl. Werte 1.

66

Do gerne trägt mit ſtummer Ergebenheit mein Herz

Den lieben langen Kummer, Den langen lieben Schmerz.

Schneiderburg. 1820. Ein Schneider flinf mit der Ziege fein Behauste den Krempenflein, Sah oft von der felfigen Schwelle Hinab zu der Donaumelle, Sn reißende Wirbel Hinein.

So faß er oft und fo fang er dabei: Wie leb' ich forgenfrei!

Meine Ziege, die nährt und lebt mid, Mandy’ Liedchen Klingt und ergeht mich, Fährt unten ein Schiffer vorbei!

Doch ah, die Ziege, fie flarb, und ihr Rief nah er: Wehe mir!

Sp wirft du mid nicht mehr laben, So muß ih dich hier begraben,

Im Bette der Donau hier?

Doch als er fie fchleudern will hinein, Verwickelt, o Todespein!

67

Ihr Horn fih ihm in die Kleider: Nun liegen Zieg' und Schneider Tief unter dem Krempenftein!

1820. Aus Eden wich nach langer SR Der Sohn der Schuld, Dem Kampfe hingegeben; Do blieb ihm noch die Dichtung mild Als Gegenbild Dom disharmon'ſchen Leben; Die zeigt fofort ihm dunfelflar, Mas einft er war, Und wieder wird erfireben.

1820. Ich zittre nicht mehr froh und bange, Mas immer winkt, was immer droht. Mird jede Wonne nicht zum SKlange, Wird nicht zum Klange jede Rot?

Doch müßt ihr nicht mit Reden quälen, Den liebend ihr als Freund erkennt; Denn feht, er kann nicht viel erzählen, Nur Lieder find fein Element.

68

Und wollt ihr mir im Ernſte nah fein,

Sp müßt ihre mid in jenen ſchaun,

Dann wird mein Sein euch und mein Dafein Im freundyerwandten Bufen graun.

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1820. Ein Hoczeitbitter zog der Lenz Den Wald entlang und See, gog Hin mit Sang und Klange, Mir aber warb fo bange, Als läge noch der Schnee.

Und Säfte lud zu ſtch der Lenz,

Mich aber lud er nit, 4 Er ſah mich, ach! gefangen,

Ich hing an jenen Wangen,

An jenem Angefſicht.

Nun bin ich frei, nun kommt der Lenz, Nun erft genieß’ ich ganz, Wenn ruh'ger au und fliller, Der Bäche grünen Schiller, Der Rofen frifhen Glanz.

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69

1820. Mo ih gatten

. Sene Schatten

Deber Matten, Um den Duell, Reich an lofen Hagerofen, | Kommt zu koſen, Brüder, Schnell!

Kaum gefunden, Schon umwunden, Schon verbunden, Weiß ich wie? Keiner Höhne, Mufenföhne, Diefe fchöne Sympathie!

Subelt, bringet Danf und finget, Melle Flinget, Roſe blüht: - Das in Wonnen Nie zertonnen, Welch befonnen Kalt Gemüt!

70 Vögel neigen Aus den Zweigen, Heißen fchweigen Mich zulekt: Mer befchriebe Lenzestriebe, Wer die Liebe, Wer das Jetzt?

Winterſeufzer. 1820. Der Himmel iſt ſo hell und blau, D wäre die Erde grün! Der Wind if fharf, o wär’ ex lau! Es fhimmert der Schnee, o wär! es Thau! O wäre die Erde grün!

Trinklied. 1820. So laß uns noch einmal vereint Die vollen Glaͤſer ſchwingen; Der Abſchied werde nicht geweint, Den Abſchied ſollt ihr fingen.

7

Wohlan, mohlauf denn, friſch gehofft! Kein Wechſel fchlag’ euch nieder!

Wir finden uns vieleicht noch oft, Vielleicht nicht einmal wieder!

Iſt's Fünftig nicht, je nun, erbaut - . Euch nur am heut'gen Glücke,

Und wer nicht gerne fürber fchaut,

Der ſchaut doch gern zurüde.

Damit fi noch beim legten Wort Die Kraft der Liebe zeige,

So gieß’ ich aus dem Freunde dort, Dem fhönen Freund bie Neige.

1820.

Cuch, liebe Berge, grüß ich wieder, Die von der Fern’ ich oft erfpähe, Und ſehnend fehe drauf hernieder, Euch grüß' ich wieder,

Euch leb' ich wieder in der Nähe.

Zwar Erde Hat mit Pflanz’ und Moofe Des Froftes Panzer an, den harten, Doch Sonne blüht tm OR wie eine Roſe, Und wärmt euch, blätterlofe,

Doch auch fehneelofe Bergeswarten.

12

Es lächelt ſchoͤnen Wechſel mir in’s Leben Das fanfte Thal, von euch umarmet, Des Himmels Blau, der Sonne Gold verfchweben

Nm eure Gipfel, weben

Den heitern Tag, und all mein Herz erwarmet.

1920.

Einfam und von Schmerz durchdrungen Sigt der delph'ſche Gott und finnt,

Er beweint den fehönen Jungen,

Den geliebten Hyacinth.

Könnt’ ihm doch dein Bild erfcheinen, Das dir jedes Herz gewinnt,

Zraum! er würde nicht mehr weinen Um den fehönen Hyacinth.

1820.

Die Nebel, adj! verbüftern Des Himmels Fichte Zone, Die Winde wehn und flüftern Im Laub erhabner Rüftern, Und in der Pappelkrone.

73

Es ifi als ob das ganze

Gefild erfroftet ſchaure,

Und als ob jede Pflanze

Entblättert vor dem Kranze, Das eig'ne Loos bebaure.

Was find die Blumen? Keine Schattirungen auf Särgen! Denn Erde ward zum Schreine Gemölbt für Totenbeine;

Wird meine bald fie bergen?

nn

1820.

Wie werben wir umhergetrieben In diefer wandelbaen Welt! Warum fo ferne, was wir lieben, Warum ſo nahe, was mißfällt!

An Niedres ſelbſt gewöhnt man endlich, An Schlechtes fh, vom Beften fern; Die Hoffnungen find ganz unendlich, Allein man hofft nur gar.zu gern!

Die Stunde hat mich oft gefegnet, Noch aber nie am rechten Drt,

Mir ift das Schönfte nicht begegnet, Doch leb' ich noch und träume fort.

——

74

Der Seelenwanderer. 1820.

Scherzend rief ich ſolche Worte, da das Licht Herabgebrannt war: Dich beflag' ich, armes Ketzchen, daß zum Nichts dein Sein fo bald ward!

Aber Antwort gab die Kerze, diefes hört’ ich voll Vermundrung: Ueberhebe dich nicht alfo, denn auch ich war einft was nun bu!

Starb ih, modert' ih, doch wieder wuchs ich aus dem Grab alg Aglei,

Kam ein Bienden, nafchte fleißig, nugte mich im Korb zur Arbeit.

Ward ih Wachs, woraus man enblich diefe Kerze nun für dich goß:

Staub und Erde mußt du werden, ich verzehre mich im Lichtſtoff.

1820. An der Erde Frei und fröhlich Kroch die Raupe, Freude kindiſch, Immer friechend, Sich umhüllter Junger Knospen. Aber ſelbſtiſch Eingekloftert Spinnt die Puppe:

15

Die Entfaltung Dualertämpfe Wühlen graufam Durch das Innre.

Doch befreiend Sieget Wärme: Schwebe rafilos, Netherkoftend, Farbefunfelnd, Du erlöster Somntervogel!

Zauberglas. 1920.

Es ift ein Kryſtall, Sn dem fih das AU So lieblicher malt, Und der es getreu, Do fchöner und neu Zurüde dir ftralt.

Es färbt und belebt, Was in ihm verfchwebt, Mit rofigem Schein:

76

Drum Kummer und Haß Bergiß und verlaf, und blide hinein!

| Erinnerungen, a 1820. Schöne Bilder Meiner frühen Wandertage, Ihr umgaufelt Noch im Traume Diefe Scheitel Wunderlieblich!

Als ich ſtreifte Durch die grünen Sommerthaͤler, Winkte dorten

Mir des Waͤldchens Buchgetränfte Friſche Wildniß, Hier der ſanfte, Traubengoldne Rebenhügel.

Welch ein Sehnen Weckte damals Mir im Buſen

an | Jedes Roͤschen,

77

Das gedüftet, Jeder ferne Bergesrüden, Der gefhimmert, Jede Wolfe,

Die geflogen!

Iſt es heu!e

Nicht wie damals? Gruͤnen friſche Miefenthäler

Nicht auch Heute? Fliegen. Wolken, Schimmern Berge, Duften Blüten Nicht auch Heute?

Mär’ ich ſelbſt doch Noch derfelbe!

Es iſt Heute

Nicht wie damals!

1820. Ein Vogel bin ich worden Mit rüſtigem Geſteder Zu flattern auf und nieder, Nach Süden und nach Norden.

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78

Bon einem Drt zum andern Verlockt mich eitles Treiben, Es frommt mir nicht zu bleiben, Es frommt mir nicht zu wandern.

Doch könnt’ ich dich ereilen, Und deinen Stolz beflegen, Wie gerne wollt’ ich fliegen, Und ad, wie gern verweilen!

Licht. 1820.

Licht, vom Himmel flammt es nieder, Licht, empor zum Himmel flammt es; Licht, es if der große Mittler Zwifhen Gott und zwifhen Menſchen; Als die Welt geboren wurbe,

Ward das Licht vorangeboren,

And fo ward des Schöpfers Klarheit Das Myfterium der Schöpfung;

Licht verſchießt die heil'gen Pfeile Weiter immer, lichter immer, Ahriman fogar, der dunkle

Wird zulegt vergehn im Lichte,

——

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1820. Ihr Vögel in den Zweigen ſchwank, Wie feid ihr froh und friſch und franf, Und trillert Morgendöre: Ih fühle mich im Herzen frank, Wenn ich's von unten höre.

Ein Stündchen ſchleich ich blos Heraus, In euer äftig Sommerhans,

Und muß mid deß beflagen:

Ihr lebet flets in Saus und Braus, Seht’s nachten Hier und tagen. .

Ihr fucht der Bäume grünes Dad, Der Wiefe Schmelz am Kiefelbad), Shr flieht vor Stadt und Mauer, Und laßt die Menfchen fagen ad! In ihrem Bogelbauer.

: 1820. Mas ich thue Und vollbringe, Ich erringe Nie die Ruhe.

Nicht umfangen Hält mein Streben Die da leben

Und verlangen.

80

Schon verglühten Sene frühen Lebensmühen, Liebeshlüten.

Daß ich fände Neue Qualen, Mupten malen Malerhände.

Kein Genüge Fern und nahe, Seit ich fahe Sene Züge!

>

1820. Die Auf- und Niederwogen Bon Wolluf und von Trauer, Don Schmerz und Wonnefchauer, Welch Herz ertrüge fie? Nur kurze Zeit belogen Vom ſchoͤn gefell’gen Slüde, - Mie find’ ich mich zurüde Zu dir, die mich erzogen, Befreundete Melancholie?

‘81

1820. Wohl Hab’ ich's tief empfunden, Mie fhön es ſei, zu Tieben, Das Wefen ift verfchwunden, Das Echo nur geblieben.

Mein ganzes Herz verlanget Erneute theure Bande, Doch all dieß Schnen hanget An keinem Gegenſtande.

So ſchwaͤrm' ich auf und nieder Auf einſam düſtern Wegen, Und hauche glüh'nde Lieder Der Sommernacht entgegen.

Wenn frühem Untergange Geweiht war all dieß Schoͤne, Warum entwickeln bange Noch aus der Bruſt ſich Toͤne.

1820. Zwar wind’ ich jetzt mich Durch geräuſch'ge Menge, Bon lebensfroh Unzähligen umrungen, Do nie mehr wieder durch die Waldesenge, Wo ich am dich das letzte Lied gefungen. Blateg, fammtl. Werke, I, 6

82

Mel ein Gedanke flimmte je mid trüber, Und bleichte je mir fchmerzlicher die Wangen, ‚Als daß bier alles an uns geht vorüber,

Und daß auch du vorüber mir gegangen!

Irrender Witter, 1820. .

Hitter ritt ins Weite Dur Geheg und Au, Plöglich ihm zur Seite Wandelt fchöne Frau.

Keuſch in Flor gehüllet War fie, doch es King Flaſche wohl gefüllet Ihr am Gürtelring.

Ritter ſah es blinken, Lüftern machte Wein, Sagte: Laß mich trinfen! Do fie fagte: Nein!

Grimmig fhaute Ritter, Der es nicht ertrug: Frau verhöhnt er bitter, Raubet ſchoͤnen Krug,

83

Als er den geleeret,

Fühlt er fih fo Frank; Ab, für Wein befcheeret - Ward ihm Liebestranf.

Nun durchſchweift er Gründe,

Felder, Berge wild, Klaget alte Sünde, Suchet Frauenbild.

I

Stimme läßt ex ſchallen, Holt es nirgends ein: Waldes Nachtigallen Hören Ritters Bein.

Endymion, 1820. Süngling ruht i

Unter Lilien an der Flut,

Mährend Nacht ihn rings umfangen, Seine lichten Locken bangen

Tief herab bis in die Quelle,

Die fie netzt mit ſachter Welle.

Ruht am Bach, Halb entihlummert, Halb noch wach;

SA

Aber Luna lenkt die Zügel Ueber Thal und Waldeshügel, Aetherwoͤlkchen wehn und tragen Ihren klaren Silberwagen.

Und ihr Licht

Falt auf Schäfers Angeſicht:

Seit dem Reihn der erften Horen Mard fein Mann fo fchön geboren: Luna fieht ihn, fleht ihn wieder, Und ihr Wagen ſchwebt hernieber.

Süngling wähnt,

Daß ihm nah die Göttin lehnt, Daß ein Kuß gelind und züchtig Seine Lippen ftreifte flüchtig ;

Hatte wachend fih erhoben,

Doch der Wagen ſchwand nach oben.

Welch ein Schmerz Zuckt, fo rief er, durch dieß Herz! Kommt ein Gott nur, daß er trüge!

Nenn' ich's Wahrheit? Nenn' ich's Lüge?

Durfte Sehnſucht irdiſch täufchen Das Gemüt der ſchoͤnen Keuſchen?

85

1820. O Wechſel von Empfindungen,

Wenn uns vorüberfchwebt

Der Wechſel von Berbindungen, Durch Zeit und Raum erlebt!

Mas hab’ ih nun Gebliebenes Bon all’ der Lieb’ und Pradt, AS weniges Gefchriebenes, In ſchlechte Verſe gebracht?

Gloſſe.

1820.

Und foll es denn geſtorben fein, So lebe wohl zu tauſendmal,

Gehſt br vorbei dem Rabenſtein, Gebenke meiner Lich’ und Qual.

Tiet.

Der Miffethäter. Du weinft, Herzallerliebfte, du? Ad, wen beweinft du von uns beiden ? Du weinft mir heiße Thränen zu, Und mahnft mid an das lebte Scheiben; Noch bift du mein, noch bin ich dein, Und fol es denn. geflorben fein?

Die Siebe. Und wär’ es denn, und wär’ ed wahr, Und wärft du fo verrucht geweſen?

»

86

Dein Mund, wie füß, dein Aug’ wie Ear, Und ad, wie ſchoͤn if al dein Wefen! Du bift mein Herz, des Herzens Wahl, So lebe wohl zu taufendmal!

Der Miffethäter. D laß uns nicht mehr denken bier, Mas ih an dir, an mir gefünbigt; Dieb eine nur, verfprich es mir, Daß no ein Seufzer dich verkündigt, Gehſt du bei ftiller Nacht allein, Gehſt du vorbei dem Rabenftein.

Die Sichbfle.

Ich fchwör’ es dir, bein liebes Blut Will ich von Falter Mauer küſſen, Doch, faßt dich fehon des Henfers Wut, Wirſt du den Hals entblößen muͤſſen, Und blickſt no um dich her einmal: Gedenke meiner Lieb’ und Dual!

1820.

Ich ruht’ von meinem Grame Gewiegt in ftillen Traum, Es floß der theure Name Mir über die Lippen faum.

87

Da hört’ ich Töne ſchallen, Die faßten mich ſo ſehr, Neu fühlt ich in mir wallen Und wogen ein Liebesmeer.

Warum fo qualerregend Durchzittert ihr mein Ohr,

Und dringt zur weichften Gegend In meinem Herzen vor?

Küffe und Jahrszeiten. 1820. I.

Wie leb' ich dieſen Lenz hindurch So koͤſtlich, o Eonftänzchen! Bald freu’ ih mich in Wald und Thal Auf Pflanzen und auf Pflaͤnzchen, Bald fiß’ ich gern und plaudere In trauter Freunde Kraͤnzchen, Bald trille’ ich. mir Homers Gefang, Und Taſſo's feine Staͤnzchen, Bald dicht’ ih, faßt Begeifterung Mich ſelbſt, wohl felbft Romaͤnzchen, Nur eines fehlt zum Himmel mir: Zu küſſen dich, Conſtaͤnzchen!

88

II. Laß uns ſchattig ruhen Auf den Raſenpfühlen, Denn ich Armer leide Gar zu ſehr im Schwülen, Feſt am Gaumen kann ich Meine Zunge fühlen. „Geh den Hügel abwärts; Dort hinab die Mühlen Seh’ ich einen Bad fi Durch die Felder wuͤhlen, Zwiſchen Blumen tanzen, Ueber Kieſel fpülen.“ Ach, nicht Waſſer will ich, Deine Küſſe kühlen. III. Es raſſelt über Flur und Berg Der Winde rauhes Tofen Man fieht den Wald entblättern ſich Und flärfer übermonfen: Du fühlt ja wohl, der Herbft ifb da, Und noch begehrft du Rofen? Kaum blühn noch auf den Wiefen hier Die rötlihen Zeitlofen: Dod wollte du ein wenig mid, Nur wenig mich liebkofen, Bald mwürbeft du erfahren, Kind, Daß Küffe find wie Rofen.

89

IV. Mel ein Schneegeftäber Was für dichte Flocken! Zapfen fieht man eiflg An den Dächern ftoden, Helles Wafler träufelt Mir von Hut und Boden, Aber da die füßen, Guten Bespergloden Mih zum Kuß der Liebe Wunderlieblich locken, Bleibe ſelbſt nicht einmal Unſre Lippe trocken!

——*

Mut und Unmut. 1820. I. Soll ih ewig plagen mich und pladen? Naht mir endlich meinen Leichenladen!

Wer nicht friehen wi und hündifch wedeln, Bette früh fi bei ven Totenfchäbeln.

A und D von biefes Lebens Pfalter, Trübe Jugend finv’s, und trübes Alter.

Solden Tanz, ich daur’ ihn nimmermehr aus, Fiedler Tod, o fpiel’ ung doch den Kehraus!

IR

I

90

II. Daß ich wahr und würdig, Daß ich euch befchriebe, Diefes liebe Leben, Das ich leb' in Liebe!

Hat nit Frühlingsodem Ale Welt durchdrungen? Sollen Dichter Hagen, Die für ewig jungen?

Hat nicht ſelbſt den Unftern Eine Hand von oben

In den Menfſchenhimmel Gütig eingewoben?

1820. Wenn ich in Labyrinthe Des Sinnens mich verlor, Dringt plötzlich oft ein Seufzer Aus voller Bruſt hervor.

Denn was ich auch betrieben Bedünkt mich hohler Schein, Uns glücklich macht nur lieben, Ach, und geliebt zu ſein!

91

1820.

Wie rafft' ih mid auf in der Nacht, in der Nacht,

Und fühlte mi fürber gezogen,

Die Gaffen verließ ih, vom Wächter bewacht, Durchwandelte facht

In der Naht, in der Nacht,

Das Thor mit dem gothifchen Bogen

Der Mühlbach rauſchte durch felfigen Schacht, Ich lehnte mich über die Brüde,

Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht,

Die wallten fo ſacht Sn der Naht, in der Nacht, Doch wallte nicht eine zurüde.

Es drehte fih oben, unzählig entfacht, Melodifcher Wandel der Sterne,

Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, Sie funkelten fadht

Sn der Naht, in der Nadıt,

Duch täufchend entlegene Ferne.

Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nadıt, Ich blidte Hinunter aufs Neue:

O wehe, wie Haft du die Tage verbracht, Nun file du facht

Sn der Nacht, in der Nacht,

Sm pochenden Herzen die Reue!

N

——

kauf

92

1820. Bertheile dich, du fhwarz Gewitter, Das mir im Herzen ſtürmt und flamımt, Beruhigt mi, Gefang und Zither, Berubigen ift euer Amt.

Erhebt mich bis zum Weltgefchide,

Und ber es lenft durch Wohl und Web, Daß ich mit unbewölttem Blicke

Auf Erdenfämpfe niederfeh'.

Und fiehe, du entweichſt, o trüber, O mißbehaglid blinder Groll; Die Augen gehen fanft mir über, Mein Herz ift wieder liebevoll.

Schon Bielen hat es innig ſich verfündet, Daß jene Sehnſucht, die den Bufen peinigt, Hienieden ſich fein feſtes Schickſal gründet, Und nie ſich dem, was fie gefucht, vereinigt.

Zwar athmet täufchend oft ein frifches Leben Aus manchem Bild uns an, aus mandhem Zuge, Mit Hoffnungen die Seele zu durchweben,

Doch fiehe, wir ertvachen vom Betruge!

93

Und Jeder, welchem Mar ſich dieß entfchieben, Will von fi) werfen jegliche Befchwerbe, Und lange fehnte Keiner fih nad) Frieden: Denn wer verweste nicht in. ſchwarzer Erbe?

1820. Mas ruhft du Hier am DBlütenfaum Der ſommerlichen Sprubelquelle, Und fiehft entftehn und flehft vergehn den Schaum? Sp ruh'n wir Menfchen auf des Lebens Schwelle, Und was wir hoffen, was wir fuchen ftets,

Ein leiter Hauch gebierts, ein leichter Hauch verwehts.

Es übt fi) mehr und mehr das Herz,

Und ftählt fi, daß von Tag zu Tage

Mit größerm Mut es immer neuen Schmerz,

Und immer neuen Kummer trage:

Erringen quält, Errungnem droht Verluſt,

Und ew'ge Sehnſucht hebt die bange Jünglingsbruft.

Drum preif’ ih den, der nicht begert!

Mas wäre hier im leichten Staube

- Des Suchens oder Findens wert?

Nach hoͤh'rem Ziel verweist der hoͤh're Glaube; Hier iſt es nicht, wo jedes Ding verletzt, SIenfeits des Lebens ward dein Ziel hinausgeſetzt!

N

u

Im Geifte firebe zu entflichn

Den Schranken biefer Menſcheninnung,

Und laß am Buſen dir vorüberziehn

Die Stimmungen der wechſelnden Geſinnung;

Dann trübt der Klarheit innern Spiegel nie,

Durch Lieb' und Sorg' und Haß, die rege Phantaſie.

Laß Andre denn mit ird'ſchem Blick

Nach ihren bunten Zwecken haſchen,

Sobald Geſchick fie oder Mißgeſchick

Im fieten Wandel fpielend überrafhen: Geſchaͤftig find fie, doch ihre Thun ift leer,

Und ſchnellzerſtörend folgt das Schickſal hinterher.

1821.

Vergebt, daß alle meine Lieder Hagen,

Und manche Thräne biefen Blick umflort, Auch ih, o glaubt mir! habe viel ertragen, Das Schwert der Schmerzen hat auch mich burdhbort.-

Ihr könnt mid nur nach leichten Worten mefien, Sn diefen Bufen konntet ihr nicht feh'n:

AG, jeder Scherz ift nur ein GSelbftvergeflen, Und jedes Lächeln fommt mich Hoch zu flehn.

en

95

Winterlied. 1821.

Geduld, du Kleine Knospe Im lieben ftillen Wald, Es ift noch viel zu froftig, Es ift noch viel zu bald.

Noch geh’ ich dich vorüber, Doch merf ich mir den Platz, Und kommt heran der Frühling, Sp Hol’ ih di, mein Schatz.

WViſion. 1821.

Am Felſenvorgebirge ſchroff,

Das von des Meeres Wellen troff,

Die ſchäumend es umrangen,

Da ſtand ich, ein verlaßner Mann,

Und manche warme Thraͤne rann

Mir über bleiche Wangen.

Doch rings umher war Scherz und Spiel,

Sie fangen, ſchoſſen nach dem Ziel,

Und tanzten in die Runde:

Es ſchenkten manden Becher Wein

Die Mäpchen ihren Buhlen ein Sn biefer frohen Stunde.

96

Und als ich ſchaute rings umher, Ward mir das Herz im Bufen ſchwer; Denn ab, mid Fannte Keiner!

Mich fragte Keiner liebentglüßt:

Was ift die Wange dir verbfüht? Mas fehlt dir, fliller Weiner?

Der Abend nahte bunfelgrau,

Die Blumen füllten fih mit Thau, Der Himmel mit Geftirnen;

Doch immer hüpften ihren Tanz Im Abendrot, im Sternenglanz Die Knaben und die Dirnen.

Und weil ih fand am jähen Rand, Stieß mid hinab die Yelfenwand Der Menge bunt Gewimmel:

Da haſchten mich die Wolken auf, Und trugen mid hinauf, hinauf, In ihren fhönen Himmel.

1821.

Der Aſche wit du Glut entloden, Wenn ih dein Herz nicht mißverftch? Ich bin wie Schnee der Minterfloden, Du bift des Frühings Blütenfchnee.

97

Mit jedem jungen Tag von vomen Beginnt dir Glück und Liehe neu,

Ich trage noch an alten Dornen, - Die Roſe mar mir minder treu.

Vergebens forſch' ich nun im Herzen Nach jener Glut und jener Anal! Weh mir! ch Fonnte dich verfehmerzen, Und nenne dich zum Tegtenmal.

1821. Es macht mir alles Schmerz und ein, Ich möchte tief in’s Land hinein, Meber Berg und Thal, über Steg und Klug, Zu vergefien, was ich vergeflen muß.

nn

1821.

Wie ſtürzte ſonſt mich in ſo viel Gefahr

Ein krausgelocktes Haar,

Und eines Feuerauges dunkler Blitz,

Und ach, zum Laͤcheln ſtets bereit,

Der Rede holder Sitz,

Ein füger Mund voll ſchöner Sinnlichkeit!

Da wähnt' ih noch, ala wäre der Befitz

Das einz'ge Gut auf dieſem Lebenggang,

Und nad ihm rang

Mein junger Sinn und mein -bethörter Wig. Blaten, ſaämmtl. Werke, 1. > 7

82

Mel ein Gedanke ſtimmte je mid trüber, Und bleichte je mir fchmerzlicher die Wangen, Als daß hier alles an uns geht vorüber,

Und daß auch du vorüber mir gegangen!

Irrender Ritter. 1820.

Ritter ritt ins Weite Durch Geheg und Au, Plöglih ihm zur Seite Wandelt fhöne Fran.

Keuſch in Flor gehüllet War fie, doch es hing Flaſche wohl gefüllet Ihr am Gürtelring.

Ritter fah es blinken, Lüftern machte Wein, Sagte: Laß mid trinfen! Doch fie fagte: Nein!

Grimmig ſchaute Ritter, Der es nicht ertrug: Frau verhoͤhnt er bitter, Raubet ſchoͤnen Krug,

83

. Als er den geleeret, Fühlt er fi fo krank; Ah, für Mein befcheeret Mard ihm Liebestrank.

Nun durchſchweift er Gründe, "Felder, Berge wild,

Klaget alte Sünde,

Suchet Frauenbild.

Stimme laͤßt er ſchallen, Holt es nirgends ein: Waldes Nachtigallen Hoͤren Ritters Pein.

Endymion. 1820. Süngling ruht

Unter Lilien an der Flut,

Waͤhrend Nacht ihn rings umfangen, Seine lichten Locken hangen

Tief herab bis in die Quelle,

Die fie netzt mit ſachter Welle.

Ruht am Bach, Halb entſchlummert, halb noch wach;

8A

Aber Luna lenkt die Zügel Ueber Thal und Walbeshügel, Aetherwölichen wehn und tragen Ihren Haren Silberwagen.

Und ihr Licht

Falt auf Schäfers Angeſicht:

Seit dem Reihn der erften Horen Ward fein Mann fo fhön geboren: Luna fieht ihn, flieht ihn wieder, Und ihr Wagen fchwebt hernieder.

Süngling wähnt,

Daß ihm nah die Göttin lehnt, Daß ein Kuß gelind und züdhtig Seine Lippen ftreifte flüchtig ;

Hatte wachend ſich erhoben,

Do der Wagen ſchwand nach oben.

Melk ein Schmerz

Zudt, fo rief er, durch dieß Herz! Kommt ein Gott nur, daß er trüge! Nenn’ ich's Wahrheit? Nenn’ ich's Lüge? Durfte Sehnſucht irdiſch täufchen

Das Gemüt der fchönen Keufchen?

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1820.

O Wechſel von Empfindungen, . Wenn uns vorüberfchtwebt

Der Wechſel von Verbindungen,

Durch Seit und Raum erlebt!

Mas hab’ ich nun Gebliebenes Bon all’ der Lieb’ und Pradt, Als weniges Gefchriebenes, In fchlechte Verſe gebracht?

Gloſſe.

1820. =

Und foll es denn gefiorben fein, So Tebe wohl zu taufenbmal, Geht du vorbei dem Rabenſtein, Gebente meiner Lieb’ und Qual, Tier,

Der Miffethäter. Du weint, Herzallerliebfte, du? Ad, wen beweinft du von uns beiden? Du weinft mir heiße Thränen zu, Und mahnft mid an das letzte Scheiben; Noch bift du mein, noch bin ich beim, Und foll es denn. geflorben fein?

Die Siebe. Und wär’ ed denn, und wär’ ed wahr, Und wärft du fo verrudt geweſen?

»

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- Dein Mund, wie füß, dein Aug’ wie Klar, Und ad, wie ſchoͤn iſt al dein Wefen! Du bift mein Herz, des Herzens Wahl, So lebe wohl zu tauſendmal!

Der Miffethäter. O laß uns nicht mehr denken hier, Mas id an dir, an mir gefünbigt; Dieß eine nur, verfprid es mir, Daß no ein Seufzer dich verfündigt, Gehft du bei ftiller Nacht allein, Gehſt du vorbei dem Rabenftein.

Die Sichbfe.

Ich ſchwoͤr' es dir, bein liebes Blut Will ih von Kalter Mauer küſſen, Do, faßt ti fehon des Henfers Wut, Wirſt du den Hals entblößen müffen, Und blickſt noch um did her einmal: Gedenke meiner Lieb’ und Dual!

1820.

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Ich ruht’ von meinem Grame Gewiegt in ftillen Traum, Es floß der theure Name Mir über die Lippen faum.

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Da hört! ich Töne fhallen, Die faßten mich fo fehr, Neu fühlt ich in mir wallen Und wogen ein Liebesmeer.

Warum fo qualerregend Durdhzittert ihr mein Ohr,

Und dringt zur weichften Gegend In meinem Herzen vor?

Küffe und Jahrszeiten. 1820. .

Wie leb’ ich dieſen Lenz hindurch So koͤſtlich, o Conſtaͤnzchen! Bald freu' ich mich in Wald und Thal Auf Pflanzen und auf Pflaͤnzchen, Bald fitz' ich gern und plaudere In trauter Freunde Kraͤnzchen, Bald trilfe ich mir Homers Geſang, Und Taſſo's feine Stänzchen, Bald dicht' ich, faßt Begeiſterung Mich ſelbſt, wohl ſelbſt Romaͤnzchen, Nur eines fehlt zum Himmel mir: Zu küſſen dich, Conſtaͤnzchen!

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88

II. Laß uns ſchattig ruhen Auf den Raſenpfühlen, Denn ich Armer leide Gar zu ſehr im Schwülen, Feſt am Gaumen kann ich Meine Zunge fühlen. „Geh den Hügel abwärts; Dort hinab die Mühlen Seh’ ich einen Bad ſich Durch die Welver wählen, Swifhen Blumen tanzen, Ueber Kiefel ſpülen.“ Ah, nicht Wafler will ich, Deine Küfie Fühlen. 11. Es rafjelt über Flur und Berg Der Winde rauhes Tofen - Man flieht den Wald entblättern fi Und flärfer übermoofen: Du fühlt ja wohl, der Herbft ifb da, Und noch begehrft du Roſen? Kaum blühn noch auf den. Wiefen hier Die rötlichen Zeitlofen: Doc wollteft du ein wenig mid), Nur wenig mich Tiebkofen, Bald würbeft du erfahren, Kind, Das Küffe find wie Rofen.

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IV. Welch ein Schneegeſtoͤber Mas für Dichte Flocken! Zapfen flieht man eifig An den Dachern ſtocken, Helles Wafler träufelt ' Mir von Hut und Roden, Aber da die füßen, Guten Bespergloden Mich zum Kuß der Liebe Wunderlieblich Ioden, Bleibe felbft nit einmal Unfre Lippe trocken!

nn ——

Mut und Unmut. 1820. J. Soll ich ewig plagen mich und placken? Näht mir endlich meinen Leichenladen!

Wer nit kriechen win und hündifch wedeln, Bette früh ſich bei den Totenfchädeln.

A und D von diefes Lebens Pfalter, Trübe Jugend find’s, und trübes Alter.

Solchen Tanz, ic) daur’ ihn nimmermehr aus, Fiedler Top, o fpiel’ uns doch den Kehraus!

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II. Daß ich wahr und würdig, Daß ih euch beſchriebe, Diefes liebe Leben, Das ich leb' in Liebe! Hat nicht Frühlingsodem Alle Welt durchdrungen?

Sollen Dichter Flagen, Die für ewig jungen?

Hat nit felbft den Unftern Eine Hand von oben

In den Menfchenhimmel Gütig eingewoben?

1820. Menn ih in Labyrinthe Des Sinnens mid) verlor, Dringt plöglih oft ein Seufzer Aus voller Bruft hervor.

Denn was ich auch betrieben Bedünkt mich hohler Schein, Uns glücklich macht nur lieben, Ah, und geliebt zu fein!

91

1820. Wie rafft ih mich auf in der Nacht, in der Nacht, Und fühlte mich fürber gezogen, Die Gaſſen verließ ih, vom Wächter bewacht, Durchwandelte ſacht In der Nacht, in der Nacht, Das Thor mit dem gothiſchen Bogen

Der Mühlbach rauſchte durch felfigen Schacht, Ih lehnte mi über die Brücke,

Tief unter mir nahm ich der Wogen in Adht, Die wallten fo fat

In der Nacht, in der Nacht, Doch wallte nicht eine zurüde.

Es drehte fih oben, unzählig entfacht, Melodifcher Wandel der Sterne,

Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, Sie funkelten fadht

Sn der Nacht, in der Naht,

Durch täufchend entlegene Ferne.

Ich blidte hinauf in der Nacht, in der Nacht, Ich blickte hinunter aufs Neue:

O wehe, wie haft du die Tage verbracht, Nun ftille du ſacht

In der Nat, in der. Naht,

Im pochenden Herzen die Reue!

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1820. Bertheile dich, du ſchwarz Gewitter, Das mir im Herzen ftürmt und flanımt, Beruhigt mi, Gefang und Zither, Berubigen ift euer Amt.

Erhebt mich bis zum Weltgefchide,

Und der es Ienft durh Wohl und Web, Daß ich mit unbewölttem Blicke

Auf Erdenfämpfe niederſeh'.

Und fiehe, du entweichſt, o trüber, O mißbehaglich blinder Groll; Die Augen gehen fanft mir über, Mein Herz ift wieder liebevoll.

1820.

Schon Vielen hat es innig ſich verkündet, Daß jene Sehnſucht, die den Buſen peinigt,

Hienieden ſich kein feſtes Schickſal gruͤndet,

Und nie ſich dem, was ſie geſucht, vereinigt.

Zwar athmet taͤuſchend oft ein friſches Leben Aus manchem Bild uns an, aus manchem Zuge, Mit Hoffnungen die Seele zu durchweben,

Doch ſtehe, wir erwachen vom Betruge!

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Und Seder, welchem Har fi dieß entfchieben, Mil von fih werfen jegliche Befchwerbe, Und lange fehnte Keiner fi nach Frieden: Denn wer verweste nicht in. ſchwarzer Erde?

om m u

1820. Was ruhſt du hier am Blütenfaum Der fommerliden Sprudelquelle, Und fiehft entftehn und flehft vergehn den Schaum? So ruh'n wir Menſchen anf des Lebens Schwelle, Und was wir hoffen, was wir fuchen ftets, Ein leihter Hauch gebierts, ein leichter Hauch verwehts.

Es übt fi mehr und mehr das Herz,

und ftählt fih, daß von Tag zu Tage

Mit größerm Mut e8 immer neuen Schmerz,

Und immer neuen Kummer trage:

Erringen quält, Errungnem droht DVerluft,

Und ew’ge Sehnſucht hebt die bange Jünglingsbruſt.

Drum preif’ ich den, der nicht begert!

Mas wäre hier im leichten Staube

Des Suchens oder Findens wert?

Nach hoͤh'rem Ziel verweist der höh're Glaube; Hier ift es nicht, wo jedes Ding verlebt, Jenſeits des Lebens ward dein Ziel hinausgefeht!

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Sm Geifte firebe zu entfliehn

Den Schranken diefer Menfheninnung,

Und laß am Bufen dir vorüberziehn

Die Stimmungen der wechſelnden Gefinnung;

Dann trübt der Klarheit innern Spiegel nie,

Durch Lieb’ und Sorg' und Haß, die rege Phantafle.

Laß Andre denn mit ird'ſchem Blid

Nah ihren bunten Zweden haſchen,

Sobald Geſchick fie oder Mißgeſchick

Im fleten Wandel ſpielend überrafchen: Gefhäftig And le, doch ihr Thun ift leer,

Und fchnellgerftörend folgt das Schidfal hinterher.

1821.

Bergebt, daß alle meine Lieber Tagen,

Und manche Thräne diefen Blick umflort, Auch ih, o glaubt mir! habe viel ertragen, Das Schwert der Schmerzen hat auch mich burdhbort.-

Ihr koͤnnt mich nur nad) leichten Worten meſſen, Sn diefen Bufen konntet ihr nicht feh'n:

Ach, jeder Scherz ift nur ein Selbfivergefien, Und jedes Lächeln fommt mid body zu flehn.

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Wiuterlied. 1821.

Geduld, du Fleine Knospe Sm lieben ftillen Wald, Es ift noch viel zu froftig, Es ift noch viel zu bald.

Noch geh’ ich dich vorüber, Doch mer? ih mir den Platz, Und kommt heran ber Frühling, So hol’ ih dich, mein Schatz.

- Biflon 1821.

Am Felfenvorgebirge ſchroff, Das von des Meeres Wellen troff, Die ſchäumend es umrangen, Da fand ih, ein verlaßner Mann, Und mande warme Thräne rann Mir über bleihe Wangen. _

Dody rings umher war Scherz und Spiel, Sie fangen, fihoflen nach dem Biel,

Und tanzten in die Runde:

Es ſchenkten manchen Becher Wein

Die Maͤdchen ihren Buhlen ein Sn diefer frohen Stunde.

96

Und als ih ſchaute rings umher, Ward mir das Herz im Bufen ſchwer; Denn ah, mid; kannte Keiner!

Mid fragte Keiner liebentglüht:

Was ift die Wange bir verbfüht? Mas fehlt dir, ſtiller Weiner?

Der Abend nahte bunfelgrau,

Die Blumen füllten fih mit Thau, Der Himmel mit Geftirnen;

Do immer Hüpften ihren Tanz Im Abendrot, im Sternenglanz Die Knaben und die Dirnen.

Und weil id fand am jähen Rand, Stieß mich hinab die Felfenwand Der Menge bunt Gewimmel:

Da haften mich die Wolfen auf, Und trugen mi hinauf, hinauf, Sn ihren fhönen Himmel.

1821.

Der Aſche wilft du Glut entloden, Wenn ich dein Herz nicht mißverfich? 3b bin wie Schnee der Minterfloden, Du bift des Frübings Blütenfchnee.

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Mit jebem jungen Tag von vornen Beginnt dir Glück umd Liebe neu,

Ich trage noch an alten Dornen, - Die Rofe war mir minder treu.

Vergebens forſch' ich nun im Herzen Nach jener Shut und jener Qual!“ Weh mir! Ich konnte dich verfehmerzen, Und nenne dDih zum letztenmal.

1821. Es macht mir alles Schmerz und Bein, Ich möchte tief in’s Land hinein,

Meber Berg und Thal, über Steg und Fluß,

Zu vergeffen, was ich vergeflen muß.

1821.

Wie flürzte fonft mich in fo viel Gefahr

Ein frausgelodtes Haar,

Und eines Feuerauges dunfler Blitz,

Und ad, zum Lächeln ſtets bereit,

Der Rede holder Sik,

Ein füßer Mund vol fehöner Sinnlichkeit!

Da wähnt’ ich. no, ala wäre der Befitz

Das einz'ge Gut auf diefem ———

Und nach ihm rang

Mein junger Sinn und mein - bethoͤter Rip. PBlaten, ſammtl. Werke L J. 7

988 Da ſah ich bald im Wandel der Geſtalt Vor mir die Jugend alt, Und jede fhöngefhwungne Form verſchwand; Und ad, wonach ich griff-in Haft, Entfloh dem Unverftand, Und nie Befefi'nes wurde mir zur Laſt: Bis ich zulebt, nicht ohne Schmerz, empfand Daß alles Schöne, was der Welt gehört,

Sitgh ſelbſt zerſtoͤrt,

Und nicht ertraͤgt die rohe Menſchenhand.

So ward ich ruhiger und kalt zuletzt,

und gerne moͤcht' ich jetzt

Die Welt, wie außer ihr, von ferne ſchau'n: Erlitten hat das bange Herz

Begier und Furcht und Grau'n,

Erlitten hat es ſeinen Theil von Schmerz, Und in das Leben ſetzt es kein Vertrau'n; Ihm werde die gewaltige Natur

Zum Mittel nur,

Aus Kraft ſich eine Welt zu han.

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41821.

Denen, die da werden leben Sei dein Sein bahingegeben; Laß der Gegenwart Erfcheinung Ruhig dir vorübergaufeln,

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Laß den Wechſelwind der Meinung Nie dich hin und wieder fchaufeln; Nichts war je fo hoch. erhaben, Tadel hat es untergraben,

Nichts fo völlig ungegründet,

Dem fih nit ein Freund verbünbet. Der Partheien Kampf, der dreifte Wil dich überall verwirren,

Aber du, laß dich nicht irren: - Folge deinem guten Geiſte!

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1821.

Lorber ward dem lyr'ſchen Ruhme Dargebracht auf Hellas Flur,

Um die künſtlich goldne Blume Rang und ſang der Troubadour, Mich belohne

Weder Krone,

Noch metall'ne Hyacinthe,

Mich der Freund, der treugeſinnte, Mit beſtaͤnd'ger Liehe nur!

| 100 An eine Geisblattrauke. 489, | Zwifchen Fichtenwäldern in ber Dede Find’ ich, theure Blüte, dich fo fpat?

Rauhe Lüfte hHauchen fehnöde, Da ſich eilig ſchon der Winter naht.

Dit auf Bergen lagen Nebelſtreifen, Hinter denen längft die Sonne fchlief, Ale noch über's Feld zu ſchweifen Mich ein inniges Verlangen rief.

Da verriet dich dein Geruch dem Wanbrer, _ Deine Weiße, die dich blendend fhmüdt: Wohl mir, daß vor mir fein Anbrer Dich geſehn und dich mir weggepflüdt!

- Wollteft du mit deinem Dufte warten, Bis ih Fäm’ an diefen flillen Ort? Blühte ohne Beet und Garten Hier im Wald bis in den Winter fort?

Wert ift wohl die fpat gefundne Blume,

Daß ein Jüngling in fein Lied fie mifcht, Sie vergleichend einem Ruhme,

Der noch wählt, da ſchon fo viel erlifcht.

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Nefignation. 1822. Du haſt genug dich ſelbſt bekriegt, Es unterliegt der Schmerz, Sei ruhig, haſt du nicht gefiegt? Entſagen ſchwellt das Herz.

Vollend' in dir den harten Streit, Kein Seufzer werde wach!

Das Glück, es liegt ſo weit, ſo weit, O haſche nicht darnach!

Fühlt auch das Herz ſich im Verluſt Geſpalien und getheilt,

Gieb willig was du geben mußt, Und jede Wunde heilt.

Reichtfinn. 1822. Wer wollte fich beklagen, Da ſtets uns überfällt Ein innigftes Behagen Am Eitelften ber Welt?

Wie Manches if vergangen! Mie Manches wird vergehn! Wir wiffen’s, wir verlangen Kein ewiges Beſtehn.

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Zwar nur ein Luͤckenbüßer SH irdiſcher Genuß,

Do mundet um fo ſüßer, Je flüͤchtiger ein Kuß.

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Aufſchub der Trauer. 1822.

Wie dich die warme Luft umfherzt, Das ſchatt'ge Grün, o wie dich's Tühlt! Wie leicht iſt al das Weh verfchmerzt, Das in der Seele wühlt!

Des Liebchens Bildniß zeige ſich An jedem Quell, an dem du ſtehſt, Ein ſanftes Lied beruh'ge bi, Wenn durch den Wald du gehſt.

Drum warte, bis der Winter naht,

Bis alles ſtarr und oͤde liegt,

Und Reif und Schnee auf Flur und Saat Dich melancholiſch wiegt-

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Nomanze. 1820.

Wohl auf, wohl ab den Nedar, Wohl auf, wohl ab” den Rhein Ziehn Schiffe Hin und wieber, Und Schiffer muß ich fein.

Bon neuen lodt, mid immer Die gold'ne, grüne Bahn, Und jeden Sonntag land